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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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LAUFE WEIT WEG HUND BELLT
     WÜTEND WEIT WEG MANN SCHREIT STILLE IST NAH NACHTVOGEL RUFT NACHTVOGEL ANTWORTET VOGELLIEBE SPRECHEN SCHWEIGEN BÄUME BÜSCHE
     HECKE LANGES FELD SÜSSES GRAS MONDLICHT ICH LAUFE ICH LAUFE ICH BIN HUND
     
    »Du machst besser einen Abgang«, sagt Wendy. Sie tippt eine Nummer in ihr Handy. Im Zwielicht ist ihr Gesicht aschfahl und
     wahnsinnig. Andrij starrt sie an, fragt sich, was in ihn gefahren war.
    |72| »Abgang?«
    »Hau ab. Bevor die Polizei hier ist.«
    »Polizei« versteht er.
    »Aber ich   …«
    »Du hast ihn mit meinem Wagen angefahren, oder nicht? Ihr hattet Streit wegen des Lohns.«
    »Aber   …«
    Andrij sieht den Bauern an, doch der scheint bewusstlos zu sein.
    »Wem, meinst du, glaubt die Polizei? Hier«, sie wirft ihm einen Autoschlüssel zu.
    Sein Herz tut einen Sprung. Aber es ist nicht der Schlüssel des Sportwagens, sondern der für den Landrover.
    »Die verdammte Erdbeerschnitte kannst du auch gleich mitnehmen.« Sie zeigt hinauf zur Kuppe des Feldes. Was meint sie bloß?
     Er steckt den Schlüssel ein, dann macht er einen Schritt vor, um sie zu umarmen. Sie weicht zurück.
    »Hau einfach ab.«
    Er steigt in den Landrover und dreht den Zündschlüssel. Der Wagen springt sofort an. Die Pedale und die Schaltung gehen schwer.
     Der letzte Wagen, den er gefahren hat, war der Saporoshez seines Vaters. Sein erster Gedanke ist, einfach zum Tor hinauszufahren
     und aufs Gas zu treten, aber sein Pass und der Lohn der letzten Woche stecken noch in einem alten Socken unter der Matratze.
     Und da ist noch etwas, das ihn zögern lässt – das Mädchen, und wie ihr dunkles Haar über das Kissen floss, als sie aufwachte.
     Er wird nicht abhauen, ohne Lebewohl zu sagen. Lebewohl und viel Glück? Oder Lebewohl und auf Wiedersehen? Genau das will
     er rausfinden.
    Er stellt den Motor wieder ab und geht zum Männerwohnwagen, der schief auf dem einen Rad steht. Jola ist da. Sie |73| sitzt auf Tomasz’ schrägem Bett, zitternd und hemmungslos heulend, und Tomasz versucht sie zu trösten.
    »Ich gehe«, sagt Andrij. Er steckt den Pass und das Geld ein und fängt an, seine Habseligkeiten zu packen. »Bevor die Polizei
     kommt.«
    Jola blickt erschrocken auf.
    »Die Polizei kommt?«
    Als er nickt, springt Jola auf und stößt Tomasz zur Seite.
    »Ich gehe mit. Ich hole nur meine Tasche.« Sie läuft zur Tür. »Warte. Bitte warte.«
    Tomasz nimmt seine Tasche aus dem Spind und fängt ebenfalls zu packen an. »Ich komme mit euch.«
    Emanuel hat in Vitalis Bett geschlafen, aber jetzt schlägt er die Augen auf und stützt sich auf einen Arm. Er beschirmt die
     Augen gegen das Licht und murmelt etwas in seiner Sprache.
    »Wir hauen ab. Lebwohl, mein Freund.« Andrij schließt leise die Tür hinter sich und geht mit der Tasche zum Landrover.
    Dann fährt er neben dem Feld den Hügel hinauf, überholt Tomasz, der mit seiner Tasche und der Gitarre auf dem Rücken durch
     die Erdbeerreihen rennt. Der zweite Gang des Landrovers springt ständig raus, und das Lenkrad ist locker. Er muss vorsichtig
     fahren.
    Er klopft an die Tür des Frauenwohnwagens und öffnet sie. Drinnen herrschen Chaos und Hysterie. Jola versucht, im Licht einer
     Öllampe ihr Hab und Gut zusammenzusammeln und gleichzeitig Marta und die chinesischen Mädchen zu beruhigen, die völlig in
     Tränen aufgelöst sind.
    »Wo ist Irina?«, fragt er.
    »Mann hat es«, sagt eins der chinesischen Mädchen zitternd, und das andere fällt ein: »Frauhaarmann hat es.«
    »Der Mann mit dem Gangsterauto hat Irina entführt«, erklärt Marta auf Polnisch.
    |74| Vor Andrijs Augen wird alles rot. Wie ist das passiert? Wie hat er das geschehen lassen können? Was für ein Mann lässt es
     zu, dass vor seiner Nase sein Mädchen (ist sie sein Mädchen?) weggeschnappt wird? Er fühlt sich schwach und ihm wird übel.
    »Welche Richtung?«
    Die Mädchen zeigen vage ins Tal. Sein Herz zieht sich zusammen, als er merkt, wie sinnlos es ist. Was für ein Narr er war.
     Die Blonde. Der Ferrari. Was für ein blöder, nichtsnutziger Vollidiot.
    »Los. Los. Los.«
    Er nimmt Jolas Tasche und die von Marta, denn Marta will mit ihrem Tantchen gehen, dann fangen die zwei Chinesinnen zu kreischen
     und zu jammern an.
    »Wir nicht bleiben. Wir kommen. Wir gehen. Bös Frauhaarmann kommt zurück.«
    »Dann packt, schnell, schnell«, sagt Jola. Jetzt laufen alle durcheinander, zitternd vor Panik, und Tomasz ist ständig im
     Weg und stößt dauernd irgendwo mit

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