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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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lebten, mit unseren
     Eltern und Schwestern, und die Chichewa-Sprache sprachen, die immer noch die Sprache meiner Träume ist.
    Plötzlich rief mich ein gewaltiger Aufruhr aus dem Traumland zurück, der Hund bellte, und dann flammten höllisch grelle Lichter
     auf und Motoren brüllten. Andree sprang aus dem Bett und schlug sich den Kopf an, dann stieß er Flüche in der ukrainischen
     Zunge aus, denn es war dunkel im Caravan, und es gab kein Licht. Ich sprang aus der Hängematte und öffnete die Vorhänge und
     sah, dass das grelle Licht von den Scheinwerfern eines Autos kam. Andree zog seine Hose an, und ich dachte zuerst, seine Männlichkeit
     würde aufrecht stehen, aber er hatte nur einen großen schweren Gegenstand in der Tasche, und dann zog auch ich Hosen an, denn
     ich fürchtete bereits, Satans Spross wäre gekommen, um Irina zu holen.
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Draußen auf dem Feld bot sich ein Pandimonium von Gebell und Geschrei und Blitzen und Brausen, aber als ich aus dem Caravan
     kam, war es nicht Satans Spross, sondern Vitali, von welchem ich dir schon erzählt habe, und in seiner Bekleidung war eine
     reife Frau von verblichener Schönheit mit blondem Haar, das sich auf ihrem Kopf türmte wie ein junger Hahn. Und sie lehnte
     auf eine solche Art die Wange an Vitalis Schulter, dass ich dachte, würde ich wieder Zeuge einer Fleischerlust werden?
    Vitali! Was machst du hier?, schrie Andree.
    Das Gleiche frage ich dich!, schrie Vitali.
    Dann fing die Frau mit der Hähnchenfrisur zu lachen an und sagte zu Andree, da sehen wir uns wieder, ich dachte, ich hätte
     dir gesagt, du sollst abhauen.
    Und Vitali sagte, ja, haut ab, hier ist besetzt.
    Und Andree sagte, hau du ab, du Teufelsarschloch.
    Und die Frau sah die ganze Zeit lüstern auf Andree, der eine Hose, aber kein Hemd anhatte, und sagte, Jungs, Jungs, bitte,
     das ist doch kein Grund zu streiten.
    Und Vitali sagte, Wendy, der Ukrainer taugt nix.
    Und die Frau sagte mit behaglicher Stimme, schon gut, Schatz, gehen wir heim, Lawrence macht es nichts, er kann zugucken.
    Und Andree sagte, Lawrence der Bauer?
    Und die Frau sagte, ja, Schatz, er ist gerade aus dem Krankenhaus gekommen, und er sitzt gern im Rollstuhl und guckt zu, das
     ist der einzige Spaß, den er noch hat, geschieht ihm recht, dem alten Hurenbock.
    Dann bestieg die Frau mit der Hähnchenfrisur das Auto, das klein und rot war wie ein teurer Edelstein, und Vitali ebenfalls.
     Und siehe, Vitali saß auf dem Fahrersitz. Vitali nahm den Autoschlüssel aus der Tasche und startete den Motor mit einem furchtbaren
     Brüllen und mit noch mehr
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furchtbarem Brüllen drehte er das Auto um. Und ich sah, dass Andree zusah, wie Vitali das Auto fuhr, und seine Miene wurde
     von einer Wolke der Trostlosigkeit verdunkelt.
    Dann gingen wir zu dem Wohnwagen zurück und ich sah, wie Andree den schweren Gegenstand aus seiner Tasche nahm und an den
     unteren Grund seines Rucksacks schob und wieder in sein Bett ging und einschlief. Doch ich konnte nicht schlafen und nach
     kurzer Weile wurde ich gepackt von sündhafter Neugier und ich blickte in Andrees Rucksack und erkannte, dass der Gegenstand
     eine Pistole war. Und mein Herz begann zu springen wie ein Ochsenfrosch, denn eine Pistole ist ein Werkzeug Satans, mit welchem
     er Kummer und Tod über die Welt bringt. So nahm ich die Pistole und schlich in den Wald und begrub sie dort unter einem Dornbusch,
     darum, dass Andree ein guter Mann ist und ich ihn vor der Todsünde bewahren wollte.
     
    So weit ist es also gekommen. Vitali, der Mobilfon-Mann, hat eine blonde Angliska-Freundin und einen roten Sportwagen. Und
     was hast du, Andrij Palenko? Einen alten Landrover, der eine neue Kupplung braucht, einen Freund, der besessen von Fleischern
     ist, und einen Hund – na, der Hund ist ziemlich klasse, über den Hund gibt es keine Klagen. Und ein ukrainisches Mädchen,
     das nett aussieht, aber keinerlei Neigung für dich zeigt, was zugegebenermaßen eine Enttäuschung ist nach all dem Ärger, den
     du dir wegen ihr aufgehalst hast. Du hättest mit einer Belohnung gerechnet, wenigstens mit einem kleinen Kuss.
    Als du ihr über die Wange streicheln wolltest, über ihre runde, weiche, unwiderstehliche Apfelwange – aber es war eine behutsame
     Geste, wie ein Gentleman   –, ist sie zurückgezuckt, als hättest du versucht, sie zu vergewaltigen, und hat geschrien: »Lass mich in Ruhe!«
    |220| Dann hat sie angefangen zu weinen, und du hättest sie gern in den Arm genommen,

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