Caravan
hatte er seine Melone gelassen?
»Liebling …« Maria McKenzies Stimme ist so samtig und verführerisch, dass Andrij ein deutliches Kribbeln in seinen männlichen Teilen
spürt, obwohl sie gar nicht mit ihm spricht, sondern mit dem Mann, der eben hereingekommen ist und sich aufs Sofa hat fallen
lassen. »Liebling, ich bringe dir einen Drink. Whisky? Doppelt? Eis? Liebling, das hier sind Freunde von Toby. Emanuel hier
ist aus Limbe, in Malawi. Du weißt doch, Toby hat vor der Uni ein freiwilliges soziales Jahr in Malawi verbracht. Emanuel
ist einer seiner Freunde von dort. Und jetzt hat er die weite Reise auf sich genommen, um uns zu besuchen. Ist das nicht wunderbar?
Und das sind Irina und Andrij. Sie sind aus der Ukraine, aber sie waren eine Zeitlang in Kent. Und Emanuel hat sie mitgebracht,
weil sie gern eine typisch englische Familie kennenlernen wollten.«
»Da sind sie wohl am falschen Ort, meinst du nicht?« Der Mann trinkt hastig einen Schluck Whisky. »Und was ist mit dem Hund?
Wie heißt der Hund?«
»Sir, der Hund heißt Hund.« Auf einmal wünscht Andrij, er hätte sich einen intelligenteren Namen einfallen lassen, aber der
Mann lacht.
»Ausgezeichnet. Ausgezeichneter Name für einen Hund. Ein Mischling, oder?« Seine Stimme ist tief und dröhnend, wie ein Nebelhorn.
»Sir, wir wissen nicht seine Herkunft. Dieser Hund ist in der Nacht aufgetaucht, aus den Nichts.«
|231| »Hm. Das ist ja interessant. Hund, komm her. Lass dich anschauen.«
Gehorsam kommt Hund, setzt sich zu seinen Füßen und erwidert seinen Blick, freundlich und höflich zugleich. Einen Moment schwillt
Andrijs Brust vor Stolz.
»Labrador-Collie, würde ich sagen, mit einem Schuss Schäferhund. Ausgezeichnete Mischung. Die besten Hunde, die man bekommen
kann.«
»Ja, ist ein sehr ausgezeichneter Hund.« Andrij hat zwar von der Tierliebe der Angliskis gehört, aber jetzt erstaunt es ihn
doch, dass sich der Mann mehr für den Hund interessiert als für alle anderen Anwesenden. »Er jagt. Er bringt uns verschiedene
Tiere. Viel Kaninchen und Taube.«
Hund genießt die Aufmerksamkeit in vollen Zügen, er wedelt mit dem Schwanz, verdreht den Kopf und hebt sogar die Pfote. Mit
seiner sauberen Geschäftsmännerhand greift der Mann nach der Pfote und schüttelt sie.
»
How do you do
.« Genau wie Mr. Brown! »Hm. Jung ist er nicht mehr. Und Sie sagten, er sei mitten in der Nacht aufgetaucht?«
»Ja. Als wir in Wald kampierten. Wir glauben, er ist weit gelaufen, weil Füße geblutet und er hatte Kratzer.«
»Faszinierend. Und seitdem ist er Ihnen nicht von der Seite gewichen?«
»Nein. Er ist ganze Zeit bei uns.«
»Hm. Bemerkenswerte Geschöpfe, diese Hunde. Treu bis ans Ende. Vielleicht wurde er gekidnappt. Hundefänger. Ja, das gibt es
immer noch. Kent, sagten Sie? Ja, dort halten sie heute noch Hundekämpfe ab. Traurig, in unseren Zeiten. Sie entführen Haushunde,
und die werfen sie dann den Kampfhunden vor. Um sie aggressiv zu machen. Barbarisch, wirklich. Bergarbeiter. Gehören erschossen.«
Die Wendung, die das Gespräch nimmt, gefällt Andrij |232| überhaupt nicht. Das linke Auge des Mannes fängt zu zucken an, und er kippt seinen Whisky hinunter. Hund streckt sich und
legt ihm tröstend die Schnauze aufs Knie. Die Geste scheint den Mann zu beruhigen.
»Ich hatte auch mal einen Hund. Als ich ein Junge war. Buster.« Er beugt sich vor und krault Hund hinter den Ohren. Seine
Stimme ist schwer von Whisky und Nostalgie. »Können Sie mich nicht mitnehmen, junger Mann? Wenn Sie wieder campen gehen? Unten
in Kent? Im Wald jagen, mit dem Hund? Ich bin ganz gut mit der Schrotflinte, wissen Sie. Hasen. Kaninchen. Tauben. Ich kann
auch ein Kaninchen häuten. Ich habe immer noch mein Schweizer Messer. Holz sammeln. Feuer machen. Feuchte Streichhölzer. Überall
Qualm. Tee aus Emaillebechern. Baked Beans. Verbrannter Toast. Das ganze Programm.« Mit feuchten, traurigen Augen sieht er
Andrij an. »Ich würde Ihnen auch nicht im Weg rumstehen.«
»Sir, natürlich können Sie mit uns kommen. Aber leider kommen wir gerade aus Kent, und wir sind auf dem Weg nach Sheffield.«
Der Mann leert das Whiskyglas und stöhnt. »Ist das Abendessen bald fertig, Maria? Ich gehe mich umziehen.«
Kaum ist sein Vater aus dem Zimmer gegangen, kommt von Toby ein Seufzer der Erleichterung.
»Das mit dem Gefängnis, Emanuel – es wäre besser, wenn er nichts davon erfährt.«
»Er weiß nichts?«,
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