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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Lächeln,
     denn Karotten haben sie auch im Wohnwagen, und dafür sitzt Hund mit einem satten Grinsen in der Ecke und leckt sich die Lefzen.
    Während sie essen, greift Maria McKenzie zum Telefon und tippt eine Nummer ein, und obwohl sie sehr leise spricht und ihnen
     den Rücken zugewandt hat, bekommt Andrij mit, was sie sagt.
    »Ja, aus Malawi. Ja. Ja, er hat Gefängnis gesagt. Nein, er hat Substanzen erwähnt. Toby, lüg mich nicht an. Nein, der weiß
     nichts davon. Er ist noch nicht zu Hause. Okay. Okay. Bis gleich, Liebling.«
    Dann wendet sie sich mit einem strahlenden Lächeln wieder ihren Gästen zu.
    »Toby sagt, er ist bald zurück.«
     
    Die Frau, Mrs.   McKenzie, war sehr freundlich zu uns, obwohl sie lila Zehennägel hatte wie eine Hexe. Meiner Meinung |228| nach sollte Nagellack, wenn man sich überhaupt die Zehen lackiert, diskret sein. Sie bot uns Erdbeeren an, und aus Höflichkeit
     zwang ich mich, ein paar zu essen, denn woher sollte sie auch die Wahrheit über ihre Erdbeeren kennen? Dann machte sie einen
     besonderen Kräutertee für mich, der, wie sie meinte, meine positiven und negativen Energien ins Gleichgewicht bringen würde
     – das ist ziemlicher Quatsch, aber der Tee tat sehr gut. Es war warm und ruhig in der Küche und es roch nach Backwerk. Wir
     saßen auf dem Sofa neben einem riesigen emaillierten Herd. Nur das Ticken einer großen Uhr war zu hören und das Schnarchen
     des Hundes – sss! hrr! sss! hrr!   –, der sich im Katzenkorb am Ofen eingerollt hatte.
    Wir unterhielten uns ein bisschen. Sie war sogar schon einmal in Kiew gewesen. Sie fragte nach meinen Eltern, und ich erzählte
     ihr, dass mein Vater Professor war und eine Menge Bücher geschrieben hatte, und dass ich hoffte, eines Tages auch Schriftstellerin
     zu werden, und dass Mutter bloß Hausfrau und Lehrerin ist. Dann wurde ich traurig, weil meine Mutter so ein langweiliges Leben
     führte, und mir fiel ein, dass ich sie gar nicht angerufen hatte, um mich bei ihr zu entschuldigen.
    »Wäre es möglich, meine Mutter anzurufen?«, fragte ich.
    »Natürlich, Liebes.«
    Sie reichte mir das Telefon.
    »Mutter?«
    »Irina? Bist du das?«
    Sofort fing sie wieder damit an, wie einsam sie war, und wollte, dass ich heimkam.
    Ich sagte: »Mama, ich will noch ein bisschen länger hier bleiben. Tut mir leid, was ich das letzte Mal zu dir gesagt habe.
     Ich hab dich lieb.«
    Ich hatte mich gefürchtet, es auszusprechen, weil ich dachte |229| , dass ich heulen würde wie ein Baby, aber kaum hatte ich es gesagt, fühlte ich mich besser.
    »Mein kleines Mädchen. Du fehlst mir so.«
    »Mama, ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ich bin neunzehn Jahre alt. Und ich vermisse dich auch.«
    Eine Pause entstand. Dann sagte Mutter: »Wusstest du, dass deine Tante Vera noch ein Kind erwartet? In ihrem Alter!« Sie tat
     entrüstet. Über Tante Vera wurde in unserer Familie viel getratscht. »Und in die leere Wohnung unten ist ein nettes Paar eingezogen.
     Sie haben einen Sohn, ein bisschen älter als du. Sehr gut aussehend.«
    »Mama, komm bloß nicht auf Ideen.«
    Wir mussten beide lachen, und plötzlich war alles wieder normal und leicht zwischen uns.
    Als ich den Hörer auflegte, ging die Tür auf und ein Junge kam herein, vielleicht so alt wie ich, in einer Jeans, die an den
     Knien abgeschnitten war, nach dieser Lumpenmode, und einem schwarzen Totenkopf- T-Shirt . Seine Haare waren ein
koschmar
– lang und auf dem ganzen Kopf zu dünnen Zöpfen verfilzt. Am Kinn hatte er ein paar dünne Bartsträhnen. Absolut nicht mein
     Typ.
    »Hi, Ma!«, sagte er.
    Dann sah er Emanuel, und beide strahlten und fielen einander in die Arme und schüttelten sich mit einer komischen Folge von
     Griffen die Hände, und dann umarmten sie sich noch einmal. Mrs.   McKenzie begann zu schniefen. Andrij und ich sahen einander an und grinsten, und er drückte unter dem Tisch mein Knie. Dann
     kam die Katze herein und fauchte den Hund an, und der Hund jagte die Katze durch die Küche, und Andrij schrie den Hund an,
     und der warf die Blumenvase um, und alles stand unter Wasser, woraufhin Andrij anfing, mit dem Küchenhandtuch herumzuwischen,
     und Mrs.   McKenzie rief: »Das ist Schicksal«, und tupfte sich |230| mit einem Taschentuch die Augen ab. Plötzlich ging wieder die Tür auf, und ein Mann kam herein und sagte: »Herr im Himmel.
     Was ist denn hier los?«
    Und das Komischste war, dass er genauso aussah wie Mr.   Brown aus meinem Englischbuch. Nur, wo

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