Caravan
dem Kopf unter der Haube und schraubten herum. (Hör dir das an, sagte sein Vater. Die Musik des Verbrennungsmotors.)
Sein Vater stellte den Motor exakt ein, damit er geschmeidig lief. Tut-ut-ut-ut-ut-ut. Das waren schöne Zeiten. Und je älter
der Wagen wurde, desto länger schraubten sie daran herum. Gemeinsam schliffen sie die Ventile ab und tauschten den Magnetschalter
und die Kupplung aus. Damals lernte er vieles über Automotoren, aber vor allem, dass alle Probleme lösbar sind, wenn man sie
mit Geduld und Methode angeht. Am Ende hat der Wagen seinen Vater überlebt. Armer Vater.
Dieses Mädchen – er hat es mit Geduld und Methode versucht, aber sie ist noch unberechenbarer als ein defektes Getriebe. Ob
er bei ihr je bis zur Feineinstellung kommt? Hm. Er fährt in eine Seitenstraße, dann biegt er noch mal ab und folgt einer
schmalen Gasse zwischen hohen Mauern. Auf einer Seite ist ein leeres Grundstück, wo ein Gebäude abgerissen worden ist, mit
einem Schild »Parken verboten« und ein paar Fahrzeugen, die dort parken. Das wird reichen.
|252| »Gehen wir zu Fuß?«
»Gehen wir zu Fuß.«
Jetzt lächelt sie wieder aus unerfindlichen Gründen.
Es ist viel zu warm. Trotz des Regens ist die Luft schon wieder staubig. Es riecht nach Abgasen und verstopften Gullys und
nach den diversen Gerüchen von fünf Millionen Menschen, die gleichzeitig atmen. Trotzdem merkt er, wie eine unerwartete Aufregung
von ihm Besitz ergreift. London – wenn man erst mal festen Boden unter den Füßen hat und sich nicht mehr über die Angliski-Banditenfahrer
aufregen muss – London ist wirklich nicht ohne.
Erst mal beeindruckt ihn die schiere Größe der Stadt – sie geht immer weiter, immer weiter, bis man vergisst, dass es dahinter
noch etwas anderes gibt. Okay, er hat Canterbury und Dover gesehen, aber nichts kann einen auf die ungeheuerliche Ausdehnung
von London vorbereiten. Die Autos gleiten elegant und leise vorbei wie silberne Schwäne, Luxusmodelle, keine zerbeulten stinkenden
Rostlauben wie zu Hause. Bürogebäude wachsen in den Himmel. Und alles ist ordentlich – die Straßen, der Asphalt und so weiter –, alles ist gut instand. Aber warum sind alle Gebäude und Denkmäler voll mit Taubendreck? Diese fliegenden Ratten scheinen
überall zu sein. Hund ist von ihnen begeistert. Bellend jagt er sie herum und macht Freudensprünge.
Sie schlendern an einer Reihe von Geschäften vorbei, deren Schaufenster voll von erstrebenswerten Dingen sind. Winzige Handys
mit hochwertiger Ausstattung, alles kompakt und clever entworfen; Filmkameras, die so klein sind, dass sie in die hohle Hand
passen; leistungsstarke Mini-Musikanlagen mit Speicherplatz für tausend verschiedene Lieder und mehr; Fernsehgeräte, so groß
wie die Wand, mit Bildern von beeindruckender Lebendigkeit – sich davor mit einem Bier zurücklehnen und Fußball gucken ist
besser als im Stadion, |253| bessere Sicht; programmierbare C D-Player , Multimedia-DV D-Player , Premium-Computer mit unvorstellbaren Größen für RAM, GIG, Herz und so weiter. Zu viel Auswahl. Ja, so viele Dinge, die man
sich nie gewünscht hat, weil man nicht wusste, dass sie existieren.
Er bleibt stehen, liest sich die Listen mit den Spezialfunktionen durch, studiert sie beinahe verstohlen, als stünde er an
der Schwelle eines ungeahnten Sündenpfuhls. Wo kommen all diese Sachen her? Irina bummelt hinter ihm her und sieht sich mit
ungläubigem Blick die Schaufenster der Kleiderboutiquen an.
Lebensmittelgeschäfte, Restaurants – hier gibt es einfach alles, jeder Winkel des Globus wurde geplündert, um diesen Überfluss
möglich zu machen. Und auch die Menschen kommen aus allen Ecken der Welt – Europa, Afrika, Indien, Orient, Nord- und Südamerika, so viele verschiedene Gesichter zusammengemischt, Menschen von überall
unter der Sonne, die sich Schulter an Schulter durch die Straßen schieben, ohne einander auch nur anzusehen. Viele haben Handys
am Ohr, sogar die Frauen. Und alle sind gut angezogen, ihre Kleider sehen neu aus. Und die Schuhe, die meisten tragen neue
Schuhe aus Leder. Keine Teppichrutscher, wie sie seine Landsleute zu Hause tragen.
»Vorsicht!«
Er war so mit den Schuhen beschäftigt, dass er beinahe mit einer jungen Frau zusammengestoßen wäre, die schnell, schnell auf
ihren hohen Absätzen dahergestöckelt kommt und ihn im Ausweichen anzischt: »Hände weg!«
»Träumst du, Andrij?«
Irina nimmt ihn am
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