Caravan
behalten. Aber der Gedanke ist zu komplex für sein begrenztes Englisch. Vielleicht
war das Bier doch keine so gute Idee.
»Ist Afrikaner«, murmelt er stattdessen.
»Es ist seine Sache, oder?« Toby kratzt sich unter seinen langen Zöpfen und untersucht seine Fingernägel nach Spuren von Schuppen.
»Er muss die Wahl haben. Jeder soll seine eigenen Entscheidungen treffen dürfen. Das ist Freiheit.«
»Manchmal haben wir Freiheit, und wir treffen schlechte Wahl. Schau auf mein Land Ukraine.«
Toby McKenzie zuckt die Schultern. »Wenn man die falsche Wahl trifft, muss man eben damit leben. Sieh dir meinen Pa an. Das
Komische ist, dass er denkt, ich wäre derjenige, der die falschen Entscheidungen trifft. Er denkt, man hat die Wahl, für das
System zu arbeiten oder ein Penner zu sein. Aber darum geht es gar nicht.« Er zerdrückt die leere Bierdose. »Es geht nur um
die Wahl zwischen Whisky und Gras.«
Der Junge ist nicht dumm. Aber warum ist er so ungepflegt?
»Okay, Toby, vielleicht du hast recht. Mit Kondom hat er Wahl.«
»Wenigstens bringt es ihn dann nicht um, wenn er die falsche Wahl trifft. Nicht wie das verdammte Zeug, das mein Vater säuft.«
»Aber wie machen wir Kondom-Demonstration?«
»Vielleicht musst du es vormachen«, sagt Toby.
Hm. Das könnte peinlich werden. Andrij trinkt noch einen Schluck Bier. Vor ihnen auf dem Fernsehschirm hüpft eine Truppe halbnackter
Tänzerinnen herum, die ihre Mähnen |244| durch die Luft schleudern und rhythmisch mit den Hüften zucken. Trotz ihrer verzweifelten Anstrengungen haben sie null Wirkung
auf seine männlichen Teile. Ob sie Emanuel erregen? Unwahrscheinlich.
Toby McKenzie nimmt die Fernbedienung und fängt an, durch die Sender zu zappen. Es gibt Politik, Heimwerker, einen Kochkanal.
Dort bleibt er hängen.
»Das ist es! Gemüse!«
Andrij fällt es schwer, sich eine erregende Szene mit Zwiebeln und Kohl vorzustellen. Wirklich, diese Angliskis haben Nerven.
»Meine Ma hat jede Menge da. Welche Größe ist er? Karotte? Banane? Sellerie? Salatgurke?«
Andrij versucht sich an die sehnige, schwarzhäutige Gestalt zu erinnern, die sich mit einem weißen Handtuch abrubbelt.
»Nicht Salatgurke. Nein. Karotte, nein. Vielleicht versuchen wir mittelgroße Banane.«
Liebe Schwester,
in den letzten Tagen habe ich viel an die längst vergangenen Tage vor dem Kloster gedacht und vor dem Waisenhaus und dem Missionshaus
in Zomba, als wir mit Mutter und Vater und Schwestern in der Lehmhütte am Ufer des Flusses Shire lebten, in den langen Tagen
meiner Blöße, als ich im Fluss gefischt und Mangos gesammelt habe. Damals war mein Verständnis der Welt ein anderes.
Doch mit zwölf Jahren von Alter stand ich plötzlich allein da und wurde ins Waisenhaus der guten Nonnen genommen, wo man mir
das Wissen um Gut und Böse entdeckte. Schwester Theodosia sagte, dass Gott Liebe ist und der Schöpfer aller guten Dinge, aber
Schwester Benedicta sagte, dass alles Böse, das über uns kommt, die Strafe für unsere
|245|
Sünden ist, wie die Krankheit, die unsere Eltern genommen hat. Und die ewiglichen Strafen nach dem Tod, sagte sie, sind viel
schlimmer als der Tod selbst, mit schmorenden Feuern und kochenden Ölbädern und Klumpen von verbranntem Fleisch, das mit Zangen
ausgerissen wird.
Da fing ich an, mir schauervolle Gedanken zu machen, was unsere Lieben in der Hölle erleiden müssen, und oft schrie ich des
Nachts nach deinem Trost, liebe Schwester, aber du warst schon fort in Blantyre. Dann bestrafte mich Schwester Benedicta mit
ihrem Stock, aber Schwester Theodosia brachte mir ein Gebet bei, das ich Maria Muttergottes singen möge, damit sie sich für
uns einsetzte:
Ora pro nobis peccatoribus
. Dieses Lied ist von vorzüglicher Schönheit, und das Singen bringt den Seelen unserer Lieben Ruhe, selbst wenn sie peccatoribus
sind, und Ruhe meiner eigenen Seele.
Die Angst vor den Qualen hielt mich stets ab von der Fleischerlust, trotz meiner sündhaften Neugierde. Aber heute Abend haben
Andree und Toby Makenzi mir gezeigt, wie ich mich schützen kann gegen Orgasmen, die die tödliche Krankheit verursachen, indem
ich meine aufrechte Männlichkeit mit einem Kondom bekleide, und damit kann ich der Fleischerlust frönen, ohne den sterblichen
Preis zu zahlen. Dann erinnerte ich mich daran, was Pater Augustinus gesagt hatte, dass ein Kondom ein Frevel vor Gott ist,
und auch wenn mein Körper gerettet würde, würde meine Seele in
Weitere Kostenlose Bücher