Carinas Todesparties
hatte. Durch die Nase atmete er ein und wunderte sich plötzlich über den Geruch. In der großen Wohnhalle und vor der breiten Treppe blieb er stehen, drehte den Kopf, schnüffelte und wollte es kaum glauben, denn so rochen alte Leichen.
Oder Ghouls…
Sukos Haut bekam einen Schauer. Er spannte sich und hörte von oben das Schlagen einer Tür. Schritte vernahm er nicht, wollte aber nicht stehenbleiben und hetzte die Treppe hoch, bis er einen Flur in der ersten Etage erreichte und sah, daß er leer war.
Zahlreiche Zimmer standen zur Verfügung. Überall konnte sich die Person verborgen halten. Auch Suko durchsuchte die Räume nicht. Ihm war die normale Luft wieder aufgefallen. Kein Leichengeruch schwängerte sie mehr. Das war nur unten der Fall. Das Haus war groß. Bestimmt gab es noch mehr Möglichkeiten, zu verschwinden, als nur durch den normalen Vorder-oder Rückseitenausgang. Also ging er wieder zurück. Niemand begegnete ihm auf der Treppe. Er schaute noch in den Garten und sah nur die Gestalt seines Freundes John Sinclair. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden.
Wo steckten die Unbekannten?
Abermals drang der Ghoulgestank in seine Nase. Es war nur mehr ein feiner Hauch, viele Menschen hätten ihn kaum wahrgenommen, aber Suko besaß eine sehr empfindliche Nase, was diese Dinge anging. Und der Ghoul mußte sich in der Nahe befinden.
Irgendwo lauerte er, hatte er sich versteckt, um blitzschnell zuschlagen zu können. Suko versuchte die Ursache oder die Quelle des Gestanks zu finden. Er drang aus einem Nebengang, der in einen anderen Trakt des geräumigen Hauses führte.
Suko betrat mit gezogener Waffe den Gang. Er sah die mit dunklem Holz vertäfelten Wände, die Ausschnitte der Türen, aber er entdeckte keine Personen.
Und doch hatte sich der Geruch gehalten.
Im Untergrund des Ganges war es dunkler. Der matte Lichtschein einer Lampe warf auf den Boden einen runden Fleck. An der rechten Seite öffnete sich eine Tür.
Für einen Moment sah Suko die kleine Gestalt, die in den Flur hineinschaute, dann aber zurückzuckte, als hätte man sie bei etwas Schlimmem erwischt.
Als die Tür zuschlug, stand Suko schon bei ihr. Er drückte sie auf, betrat das Zimmer noch nicht, blieb stehen, warf einen Blick in den Raum und glaubte vor einer etwas zu groß geratenen Puppenstube zu stehen. Alles war kleiner, niedriger. Der Tisch, die Stühle, das Sofa, die Anrichte, auch der Schrank.
Bis auf den TV-Apparat und die Lampen stimmten die Proportionen mit den normalen Verhältnissen nicht überein. Dieses Zimmer war für einen kleinen Menschen eingerichtet worden.
Und den sah Suko.
Es war eine Frau, die in einem der beiden Sessel saß und dem Chinesen entgegenschaute.
Sie trug ihr dunkles Haar zu dicken Zöpfen geflochten und hatte über ihre Gestalt ein blaues Kittelkleid gestreift, das vorn geknöpft werden konnte.
Ihr Gesicht war rund, wirkte aber wegen der Frisur trotzdem eckig und alt, obwohl die Frau ein so hohes Lebensalter noch nicht erreicht haben konnte. Sie saß im Schein einer Stehlampe, der auch in ihr Gesicht fiel, und Suko sah die Augenbrauen wie zwei dicke, schwarze Balken über den ebenfalls dunklen Pupillen.
»Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden.«
Die Liliputanerin nickte. »Dann kommen Sie herein, und schließen Sie die Tür.«
Das alles konnte eine Falle sein, dementsprechend vorsichtig benahm sich der Inspektor. Aber in den Ecken lauerten keine weiteren Personen auf ihn, so daß er und die kleine Frau allein waren. Aber der Geruch war geblieben…
Wenn Suko einatmete, egal durch die Nase oder den Mund, schmeckte er ihn. Und er verursachte Übelkeit.
»Wollen Sie mich erschießen?« fragte die Liliputanerin, denn sie hatte Sukos Waffe gesehen.
»Nein.«
»Dann stecken Sie die Pistole weg. In diesem Haus ist man nicht bewaffnet.«
»Sie scheinen sich sehr gut auszukennen.«
»Ja, ich bin Fiona, ich wohne hier zusammen mit Carina Colby. Wir sind Freundinnen.«
»Aha.« Jetzt ließ Suko seine Beretta verschwinden. Dicht vor der Wand blieb er stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sind also ein gewaltloses Haus?«
»Ja.«
»Und die bewußtlosen Parfygäste, was geschieht mit ihnen?«
»Sie scheinen das Essen nicht vertragen zu haben. Das ist es wohl. Haben Sie etwas zu sich genommen?«
»Nur getrunken.«
»Dann hatten Sie Glück.« Fiona erhob sich aus ihrem Sessel. Suko beobachtete sie genau. Mit etwas plump wirkenden Bewegungen schaukelte sie
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