Carinas Todesparties
Gegnern er es noch zu tun hatte.
Sicherlich würde es nicht immer klappen. Jedenfalls war seine Hoffnung noch vorhanden.
Dieses Gefühl trieb ihn weiter in den unterirdischen Gang, in dem die Luft immer mieser wurde, so daß er so gut wie nicht mehr atmen konnte. Die erste Phase einer Erschöpfung zeichnete sich bei ihm ab. Die Bewegungen verloren an Kraft und Stärke. Schlapp und matt kroch er voran, immer darauf gefaßt, auf einen weiteren Ghoul zu treffen. Manchmal, wenn er leuchtete, konnte er in die Kammern oder Gräber hineinschauen, hatte aber keinen weiteren Ghoul entdeckt, obwohl ihm manchmal aus den Öffnungen ein starker Gestank entgegenwehte. Weil der Sauerstoff fehlte, brannte auch die Flamme nicht mehr so intensiv.
Einmal rutschen seine Handflächen über etwas Bleiches, Langes. Als er zupackte, hielt er Knochen zwischen seinen Fingern. Stumpf und abgenagt waren sie.
In einem Wutanfall schleuderte er sie fort und kroch weiter. Wesentlicher langsamer als noch zu Beginn. Er besaß auch nicht mehr die Kraft, sich richtig abzustützen, so glitt er denn wie ein Rekrut über den Lehmboden. Die Pausen, die er zwangsläufig einlegen mußte, nahmen immer mehr Zeit in Anspruch. Erzitterte am gesamten Körper, wenn er sich hochstemmte, kostete es ihn eine große Mühe, und selbst auf den Ellenbogen konnte er sich nicht mehr abstützen.
Sein Mund stand zwar offen, aber mit dem Gesicht glitt er oft genug durch den Dreck, so daß dieses Zeug ebenfalls in die Mundhöhle gelangte und der Lehm zwischen seinen Zähnen kratzte. Es war so dunkel, daß er tatsächlich nicht die Hand vor Augen sah und sich vorkam wie Jonas, der in biblischer Zeit von einem Walfisch verschluckt worden war.
Auch die Angst vor dem Tod verlieh ihm keine neue Kraft. Chris Landon hatte den Zustand erreicht, wo es einem Menschen egal ist, ob er stirbt oder weiterlebt.
Dann brach er völlig zusammen.
Irgendwo in der Tiefe und der Dunkelheit des Stollens blieb er liegen, um auf sein Ende zu warten.
In seinem Kopf dröhnte und brauste es. Der Schädel schien um das Doppelte angeschwollen zu sein, das Blut war wie ein dicker Saft, der kaum noch floß.
Von seiner Umgebung nahm er nichts mehr wahr. Deshalb merkte er auch nicht, wie ihm der fürchterliche Gestank entgegenwehte, der von den schrecklichen Ghouls ausging. Er huschte über ihn hinweg, streichelte sein Gesicht, aber das war Chris egal. Den Ghouls nicht.
Sie hatten in den Gangnischen gelauert und mitbekommen, wie der Mensch an ihnen vorbeigekrochen war. Kaum lag er zu Tode erschöpft am Boden, als sich die Schleimmassen aus ihren Verstecken lösten und sich in den Stollen fallen ließen. Sie wirkten wie Kugeln, in denen ein gelbes Augenpaar leuchtete. Zielsicherfanden sie den Weg zu ihrem wehrlosen Opfer.
***
Lucy Roscyn war allein zurückgeblieben. Und vor ihr lag die Frau, die ihr den Mann weggenommen hatte und die sie so sehr haßte. Ja, sie haßte sie, und sie hätte ihr noch eine Kugel gegeben, doch dagegen stand das Versprechen, Carina nicht zu töten.
Deshalb sprach sie mit ihr. »Du wirst nichts mehr von meinem Mann haben. Du hast dafür gesorgt, daß er getötet wurde, aber du wirst auch dein Leben nicht mehr genießen können, das schwöre ich dir. Die Bullen bringen dich hinter Gitter, wo deine Schönheit abblättert wie alter Putz von der Wand. Wer hoch hinaus will, kann tief fallen, das wirst auch du noch merken.«
Es tat Lucy gut, diese Worte sprechen zu können. Da gab sie sich selbst Mut, da möbelte sie sich praktisch wieder auf. Sie lud ihren seelischen Akku.
Nicht immer konnte sie auf der Stelle stehenbleiben. Deshalb ging sie ihre Kreise durch den Garten, war aber sehr vorsichtig und sah zu, auf keinen der umherliegenden Körper zu treten.
Sie blieb stets in Sichtweite der verletzten Frau, die sich noch nicht gerührt hatte, dann aber so laut stöhnte, daß Lucy aufmerksam wurde und wieder zu ihr hinlief.
Fast an der gleichen Stelle blieb sie neben ihr stehen und schaute auf sie herab.
Carina Colby hielt die Augen offen. Die untere Gesichtshälfte war verzerrt. Die Frau mußte Schmerzen verspüren, die Hand, die nach wie vor auf dem Schußloch der Wunde lag, zitterte, aber Carina interessierte sich allein für die Person, die vor ihr stand.
»Du!« keuchte sie plötzlich. »Du hast auf mich geschossen. Ich habe es gesehen. Du hast dich nicht geschämt, auf mich zu schießen, obwohl ich unbewaffnet gewesen bin!«
»Ja, ich schoß!«
»Und
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