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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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Volleyball. Das erste Mal war ich
noch ein Kind. Ronnie Farmer, der Kleine von nebenan, schlug mir einen Hammer auf
die Nase, ohne ersichtlichen Grund, außer vielleicht, um festzustellen, wie
sich Hämmer und Nase bei einem Zusammenstoß verhalten. Das zweite Mal kam meine
Nase mit dem Steuer meines Taxis in Konflikt. Das dritte Mal war es Bullenpech.
    Leute, die ich mag, behaupten,
meine Nase hätte Charakter.
    Ich spiele Volleyball, weil ich
reinen Fitneßsport nicht ausstehen kann. Mich schaudert es bei dem bloßen
Gedanken an all diese Trainingsräder, auf denen man sich abstrampelt, ohne
irgendwohin zu kommen. Die Symbolik dahinter ist mir einfach zu schaurig.
    Volleyball hingegen finde ich
super. Und die Frauen, mit denen ich spiele, sind toll: eine Sportlehrerin aus
Cambridge, Polizistinnen, eine Computer-Amazone, ein paar Studentinnen. Wir
spielen hart, aber in aller Freundschaft. Du wirfst dich hinter einem Ball her,
gibst dein Bestes, und selbst wenn du das Mistding verfehlst, bekommst du noch
den Rücken geklopft oder einen Händedruck. Das gefällt mir. Und nach dem Spiel
schwimme ich ein paar Runden, um mich abzukühlen.
    Dreimal pro Woche, das ist
jedesmal ein Morgen nach meinem Geschmack. Gut und gesund. Ich berste fast vor
Genugtuung, wenn ich hinterher bei Dunkin’ Donuts mein Frühstück
einnehme.
    Ich nahm mein
Eugene-Devens-Notizbuch mit und schlug es auf dem orangenen Resopaltisch neben
zwei Donuts mit Zuckerguß und einer Tasse Kaffee mit Zucker auf. Ich hatte noch
ein paar Krankenhäuser angerufen, ohne Erfolg. Wenn Gene in Behandlung sein
sollte, dann unter einem Decknamen, und ich konnte mir zwar etwa fünfzig Gründe
vorstellen, sich anonym behandeln zu lassen, aber nach allem, was ich von
Eugene Devens wußte, kam für ihn keiner davon in Frage.
    Das war herzlich wenig.
    Ich starrte in mein Notizbuch,
zog die Bilanz all dessen, was ich von der Schwester, von Gloria, von Billy dem
Barkeeper und von meinen wenigen noch erhaltenen Polizeikontakten über den Mann
herausgefunden hatte.
    Eugene Paul Mark Devens. Nicht
vorbestraft. Am 28. Mai 1929 geboren. Im St. Margaret’s Hospital in Dublin,
Irland, als zweites Kind von Mary Margaret und Patrick Joseph Devens zur Welt
gekommen, die zwei Totgeburten und drei Fehlgeburten zwischen
    Margaret und ihrem Bruder nicht
mitgerechnet. Was mußte er für ein behütetes Kind gewesen sein! Wie wachsen
kleine Babys aus ihren winzigen Windeltüchern heraus und zu Männern heran, die
spurlos verschwinden?
    Eugene Paul kam im Alter von
fünf Jahren in die Vereinigten Staaten und wurde an dem üblichen Sortiment
katholischer Schulen erzogen. Ich fragte mich, ob seine Mutter ihren Sohn wohl
für den Priesterberuf ausersehen hatte und enttäuscht war, als er von der
Highschool abging. Ich hätte gern gewußt, ob sie enttäuscht oder erleichtert
war, als er schließlich mit fünfunddreißig heiratete. 1964 Heirat mit Mary
Elizabeth Reilly. Die Frau starb sechs Jahre später, vor sechzehn Jahren. Keine
Kinder.
    Niemand hatte im Zusammenhang
mit Gene andere Laster erwähnt als Saufen und Frauen. Nichts deutete darauf
hin, daß er etwa am Nuttengewerbe oder Drogengeschäft beteiligt gewesen wäre,
aber wenn es um hohe Einsätze ging und Gene die Haie nicht bezahlen konnte,
hätte er verdammt guten Grund gehabt, unterzutauchen.
    Eugene Devens besaß kein Auto,
was für einen Taxifahrer in einer anderen Stadt sicher merkwürdig wäre. In
Boston, wo höchstens einer von zehn Einwohnern einen Parkplatz findet — ganz zu
schweigen von den Pendlern — , ist es durchaus vernünftig, kein Auto sein eigen
zu nennen. Man spart dabei — nicht allein die Bußgelder für Falschparken,
sondern auch die Behandlungskosten für psychosomatische Leiden. Leider ist es
immer noch am einfachsten, die Spur eines Vermißten über die Zulassung seines
Wagens zu verfolgen. Eugenes Glück, mein Pech.
    Dunkin’ Donuts am Central Square hat
hintendurch eine Telefonkabine, eine der wenigen echten Telefonzellen dieser
Welt, wo man noch einigermaßen ungestört telefonieren kann. Nachdem ich eine
Menge Münzen verbraucht und die hilflose Mitarbeiterin eines Reisebüros
gespielt hatte, die mit einem verlorengegangenen Touristen mittleren Alters
geschlagen ist, erfuhr ich, daß kein Eugene Devens via Aer Lingus von Logan
nach Shannon oder Dublin geflogen war. Aer Lingus insofern, als sie von Boston
nach Irland direkt fliegt. Ich hatte überlegt, daß jemand, der den Briten
gegenüber solche

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