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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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eine
ruhige Wohnstraße mit großen Villen im viktorianischen Stil; ein paar müde
Ruinen mit verbeulten Aluminiumverkleidungen, einige frisch pastellfarbig
gestrichene Häuser mit geraniengefüllten Blumenkästen. Große Häuser für große
Familien. Die meisten Bostoner Iren zogen direkt in die eleganten
South-Shore-Vorstädte, sobald sie den Southie-Slums entkommen waren, während
einige wenige, insbesondere solche mit Verbindungen zum Stadtparlament, auf
Gegenden wie diese in Jamaica Plain zusteuerten. Es muß einmal ein vornehmes
irisches Viertel gewesen sein, mit einer intakten Pfarrkirche und Häusern
voller Kinder. Jetzt sah die Mehrzahl der besser gepflegten Häuser so aus, als
sei sie in einzelne Apartments, vielleicht auch Eigentumswohnungen, aufgeteilt.
Sie wirkten nicht so luxuriös wie die Traumhäuser, die meine Katze und ich in
Cedar Wash besichtigen sollen, aber ich wette, die Preise waren ganz schön
hoch.
    Als ich das weiße
viktorianische Monstrum an der Ecke erblickte, hielt ich an und wunderte mich
nicht mehr länger, warum Margaret und Eugene nicht gerade viel voneinander
wußten. Wenn die beiden Geschwister in Nr. 19 wohnten, konnten sie sich auf
verschiedenen Stockwerken einrichten, ohne sich je zu begegnen. Dann brauchten
sie zwei Telefonanschlüsse, um sich im Notfall anrufen zu können.
    Die Familie muß einmal Geld
besessen haben, um dieses Haus erstehen zu können. Und etwas mußte davon
übriggeblieben sein für die Grundsteuer, den blendend weißen Anstrich und die
Pflege des sanft abfallenden, sauber geschorenen Rasens und der geschnittenen
Eiben und Azaleen.
    Nun ja, Margaret besaß ja einen
Packen knisternder 100-Dollar-Noten.
    Und Eugene fuhr ein Taxi.
    Jamaica Plain hat sein Gutes,
man hat kaum Parkprobleme. Ich steuerte den Toyota an den Bordstein, genau vor
das Devens-Haus.
    Der Weg aus Zement- und
Rasenplatten hätte mich beinahe dazu verlockt, wie beim Himmel-und-Hölle-Spiel
zur Veranda hoch zu hüpfen. Ich beherrschte mich jedoch für den Fall, daß meine
Klientin durch eine der Sonnenblenden spähte.
    An der Eingangstür war ein
blankpolierter Klopfer aus Messing in Form einer Ananas. Ich ignorierte die
Türklingel, um meine Chance wahrzunehmen, ein paar Fingerabdrücke auf der
blanken Oberfläche des Klopfers zu hinterlassen. Es gab einen lauten,
befriedigenden Ton.
    Ich wartete ein Weilchen und
summte ein Lied vor mich hin, das Paolina mir beigebracht hatte und in dem auf
Spanisch eine Menge Tiere vorkommen, dann probierte ich die Klingel. Sie
schrillte vernehmlich und hallte drinnen wider. Ich klingelte noch einmal und
brüllte Margarets Namen.
    Verdammt. Ich sah auf die Uhr.
Zwanzig nach elf. Ich hatte mich länger in Cambridge aufgehalten, als ich
vorgehabt hatte, aber Margaret hätte doch bestimmt zwanzig Minuten gewartet.
    Na ja, vielleicht hatte sie’s
vergessen. Sie war schließlich nicht mehr die jüngste. Vielleicht war sie in
der Kirche oder saß bei einer Nachbarin und klatschte bei einem Täßchen Kaffee
mit ihr, während ich hier in der Kälte fröstelte. Aus lauter Unmut drehte ich
den Knauf und drückte gegen die Tür. Sie ging leicht auf, und da stand ich nun
und gaffte.
    Stadtbewohner pflegen ihre
Haustüren abzuschließen.
    «Margaret!» rief ich wieder mit
Stentorstimme, um zum einen jeden im Hause von meiner Anwesenheit in Kenntnis
zu setzen und zum anderen eine Antwort zu erhalten. Meine Hand fuhr automatisch
zu der Pistole im Schulterhalfter, wie früher, wenn ich als Polizistin
ungesichert irgendwelche Räumlichkeiten betrat. Als Privatdetektivin lasse ich
die Finger lieber von Pistolen, solange es geht.
    Ich denke immer an das, was
Humphrey Bogart in dem alten Film sagt, wo er dem jungen Ganoven die Knarre
wegnimmt: «So viele Knarren, und so wenig Gehirn.»
    Der Eingangsraum war groß und
kühl, mit ausgetretenen, matt glänzenden Holzdielen. Kein schneller
Kunststoffscheuerjob. Nur Pflege, jahrelange Pflege — von der Art, die meine
Tante Bea ihrem Haus in Cambridge hatte angedeihen lassen —, verlieh ihm diesen
warmen Schimmer. Die Wände waren mit einer dieser alten Grastapeten in blassem
Beige tapeziert. Ein abgetretener achteckiger chinesischer Teppich brachte
Farbe in die Fußbodenmitte. Darüber hing ein vielarmiger Kronleuchter so tief
herab, daß es bedrohlich wirkte.
    Vom Eingangsraum führten vier
Wege tiefer ins Haus hinein: drei Bogengänge, der hintere davon schmaler als
der rechte und der linke, und eine steile Treppe mit

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