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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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geraucht.
    Er ging am U-Bahn-Eingang
vorbei und überquerte die Mass. Avenue bei Rot, wobei er beinahe von einem
silbernen Buick erfaßt worden wäre. Er rannte, um den Dudley-Bus noch zu
erreichen.
    Ein Glück, daß ich schon eine
Woche Taxi gefahren war. Mitten auf dem Central Square eine Kehrtwende zu
machen, ließ mich völlig kalt. Ich raste hinter Bus 2654 her, Gott sei Dank
einem von der neuen Sorte. Ich war ganz steif, mein Nacken schmerzte, und bald
mußte ich auch irgendwo eine Toilette finden. Ich brauchte nur meine Lungen mit
den Busabgasen vollzusaugen.
    Horace Zipfelbart lümmelte auf
der Hälfte einer Sitzbank im Heck des erleuchteten Busses herum. Ich gab
abwechselnd Gas und bremste, immer ein Auge auf seinen Rücken geheftet. Er
blieb im Bus, bis die Passagiere allmählich gewechselt hatten und die Mehrheit
nur noch eine kleine Minderheit war. Der Bus fuhr nach Roxbury.
    Ich kenne Roxbury so gut wie
jeder andere Weiße. Um ehrlich zu sein, ich fühle mich dort wohler als in
Southie. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es gibt eine Menge Straßen in
Roxbury, die ich nicht entlangfahren würde. Ich zog mir immer eine unsichtbare
Grenze. Ich würde zum Beispiel nicht die Sonoma Street hinunterfahren bis in
eine Gegend, die bei der Polizei nur «der Schießstand» heißt, wegen des Heroins
und der Waffen.
    Horace stieg aus dem Bus aus,
ehe ich noch Zeit fand, mir einen Plan zurechtzulegen oder mir Sorgen zu
machen, und marschierte festen Schrittes die Albany Street hinab. Er ging auf
den Seiteneingang eines schmalen Hauses an der Norfolk Street zu und klopfte an
die Tür. Ich sah ihn nicht hineingehen, aber auch nicht wieder herauskommen.
    Ohne meine Geschwindigkeit zu
drosseln, fuhr ich um den Block und parkte in der Parallelstraße hinter dem
Haus in der Norfolk Street, im Schatten des höchsten und einzigen Baumes weit
und breit. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ein armseliger Park oder
Kinderspielplatz. Turnschuhe, mit den Schnürsenkeln zusammengebunden, zierten
die Stromleitungen wie Weihnachtslichter. Der Park muß vor Leuten nur so
gewimmelt haben. Ich konnte zwar nicht viel erkennen, hörte jedoch sporadisches
Gelächter, den dröhnenden Baß eines Stereo-Portables und ein fernes Quietschen
wie von einer rostigen Schaukel.
    Ich hätte gern die genaue
Adresse des Hauses gewußt. Ich hätte gern Aufnahmen von Zipfelbart gemacht, wie
er hineinging und wieder herauskam. Ich hätte gern seine Aktenmappe vorher und
nachher gewogen. Ich hätte gern den Inhalt seiner Tasche genauestem untersucht.
    Aber es sollte ganz anders
kommen.
    Die Gegend kam mir bekannt vor,
nicht, weil ich schon einmal dort war, sondern weil sie anderen stark
bevölkerten Vorstadtvierteln sehr ähnelte. So ein Viertel in der Nähe einer
verkehrsreichen Kreuzung, mit einem winzigen Park, überfüllten Wohnungen,
verwahrlost wirkenden Häuserreihen, ist nachts viel lebendiger als tagsüber.
Die Musik im Park schmetterte plötzlich lauter.
    Falls ich Horace zu einem
«Crack-Haus» gefolgt war, wo das Zeug hergestellt wurde, konnte ich sicher
sein, daß mein vorüberfahrender roter Toyota bereits von einem Aufpasser
bemerkt worden war. Mein Wagen würde an sich nicht besonders ins Auge fallen.
Ein roter Toyota ist kein Polizeiauto. Selbst die Geheimpolizisten des Rauschgiftdezernats
fahren amerikanische Schlitten. Trotzdem, jede weitere Bewegung von mir konnte
unter Umständen doch Panik auslösen, und dann landete das Koks im Abwasser.
    Der Baum verbarg meinen
Parkplatz vor den Blicken irgendwelcher auf dem Dach stationierter Wächter. Auf
der Hausveranda hatte ich keinen Wachmann gesehen. Hier also wohnte Horace
womöglich; ein respektables Zuhause, soweit ich sehen konnte. Ich stellte mein
Radio doppelt so laut und suchte mir einen Sender mit harter Rockmusik. Das schien
mir für diese Gegend das richtige zu sein. Ich begann, mein Haar unter die
Mütze zu stopfen, und dabei wurde mir erst bewußt, daß ich drauf und dran war,
die relative Sicherheit des Autos aufzugeben.
    Nun vermag Dunkelheit zwar eine
Menge zu verbergen, aber nicht gerade einen einsachtzig großen Rotschopf. Ich
wollte Aufnahmen machen, aber dazu mußte ich mich tarnen. Eine Sekunde lang
wünschte ich, Roz wäre bei dieser Fahrt dabei, um den richtigen Film in die
Canon einzuspulen und das Foto zu schießen. Roz ist ihre eigene Tarnung.
    Ich erwog diverse
Möglichkeiten. Vielleicht sollte ich einfach zur Eingangstür marschieren und
jedermann

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