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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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bitten, «Cheese» zu sagen. Ich konnte mich auch von hinten
heranschleichen, aber der Schrotthof des Nachbarn sah wie ein idealer
Entsorgungsplatz für Atommüll aus. Ich hatte kein Verlangen, mir von Ratten die
Zehen abnagen zu lassen.
    Der Baum, der mein Auto so gut
versteckte, machte auch das Fotografieren unmöglich. Er war das, was wir früher
in Detroit einen hübschen Kletterbaum nannten, mit einer guten tiefsitzenden
Gabel und vielen kräftigen Ästen. Ich hatte bestimmt seit zehn Jahren keinen
Baum mehr erklettert, verspürte aber auf einmal größte Lust dazu. Ich bezwang
mich. Bäume haben keine Hintertüren, und Überraschungsabgänge von Bäumen können
sowohl demütigend als auch schmerzhaft sein. Ich lehnte mich auf dem Fahrersitz
zurück.
    Ich war erschöpft. Autoschlaf
zählt nicht soviel wie Bettschlaf. Ich sah auf die Uhr. Fast elf. Mit einigem
Vergnügen stellte ich mir vor, wie Gloria vor Ärger heiße Ohren bekam, weil ich
nicht pünktlich bei G&W aufkreuzte. Auch Toiletten erstanden vor meinem
inneren Auge.
    Zwei kichernde junge Mädchen
gingen vorbei und unterhielten sich darüber, was Clyde auf der Rückbank des
alten Buick mit Germaine gemacht hatte. Und was Germaine mit Clyde gemacht
hatte. Und was Howie tun würde, wenn er von Germaine erfahren würde, was Clyde
mit ihr gemacht hatte. Daß Germaine es für nötig halten würde, sich Howie
anzuvertrauen, davon gingen wohl beide aus.
    In einem Haus auf der anderen
Straßenseite flammte Licht auf; ich glitt tiefer in den Sitz. Undeutlich war
Geschrei zu vernehmen, und die «Verdammt-noch-nie-zu-was-nutze-gewesene» Angela
hatte ihr Fett weg.
    Das Klappern hochhackiger
Schuhe und heiseres Gelächter signalisierte die Ankunft von vier halbseidenen
Damen. Ich hatte lange genug in einschlägigen Bezirken gearbeitet, um sie an
Kleidung und Gangart zu erkennen. Gejohle aus dem Park bestätigte mein Urteil.
Das waren keine Mädchen, die von ihrer Spätschicht im örtlichen
Verbrauchermarkt heimkehrten. Ihr Arbeitstag fing eben erst an.
    Was ich am allerwenigsten mag,
ist den Lockvogel zu spielen. Dazu pflegten sie mich wie einen Köder
anzuziehen, mich an der Angel auszulegen und abzuwarten, ob ich irgendeinem
Schwanz vor Ort genügend einheizen konnte für eine schnelle Nummer. Wirklich,
ich haßte das. Nicht allein, daß ich mir wie ein Stück Fleisch vorkam, mich
beschlich jedesmal auch noch der leise Verdacht, die Beamten, die mich deckten,
hätten ihren Spaß daran.
    Ach, zur Hölle damit. Alle
Erfahrungen erweisen sich früher oder später als nützlich. Ich zog meine Mütze
vom Kopf und fuhr mit den Fingern durch das Haar. Ich fand zwar einen
Lippenstift in meiner Tasche, aber kein Rouge, und so mußte Max Factors
Primelrot für beides herhalten. Rückspiegel taugen nicht viel zum
Make-up-Auftragen, aber ich schaffte es trotzdem, mir einen Schmollmund zu
malen und meine Wangenknochen zu betonen.
    Meine Kleider waren absolut
unpassend. Ich suchte auf dem Rücksitz nach irgend etwas dort Abgelegtem. Ich
verbringe viel Zeit im Auto und bin nicht gerade ordentlich, und da sammelt
sich manches an. Mein Sportzeug tauchte auf: Oberteil, Shorts, Turnschuhe, ein
Frotteestirnband; nichts besonders Verführerisches. Andererseits war mein Strickpullover
eins von diesen überlangen Teilen, die bis zu den Schenkeln herabhängen.
    Ich wand mich aus meinen Jeans
und zerrte am Pulloverausschnitt, bis er sich weitete und mir über eine
Schulter rutschte. Mit sichtbarem BH-Träger hatte der neue Ausschnitt auch
nicht unbedingt mehr Pep, deshalb zog ich die Arme aus den Ärmeln, machte
vorübergehend ein Zelt aus dem Pullover, griff nach hinten, hakte meinen BH los
und stopfte ihn in das Handschuhfach. Die neue Aufmachung schrie förmlich nach
einem weiten, messingbeschlagenen Ledergürtel. Ich konnte nur einen knappen
Meter Schnur finden. Den band ich mir um die Taille, zog den Pullover etwas
hoch und ließ ihn darüberfallen, um die Schnur zu verstecken. Das Blusige
wirkte gar nicht schlecht, nur wurde der Pullover dadurch verdammt kurz.
    Meine Schuhe waren eine
Katastrophe, aber das machte nichts, denn ich habe immer massenweise Schuhe im
Auto. Ich hasse unbequeme Schuhe, aber da man bei Größe 43 kaum Auswahl hat,
bleibe ich oft auf Modellen hängen, die ich aus lauter Verzweiflung gekauft
habe. Schuhe, die Blasen in Aussicht stellen, werden im allgemeinen schon auf
dem Heimweg nach hinten geschleudert, denn ich finde es abscheulich, damit zu
fahren. Ich

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