Carlotta steigt ein
Mooney mich an Sam erinnern? Warum bekam ich Schuldgefühle, wenn ich
Mooney ins Gesicht sah? Ich hasse Schuldgefühle.
«Kaffee?» fragte er.
Sie haben miserablen Kaffee im
Bezirk D. Sie servieren ihn in ekelhaften Styroporbechern. Statt Milch oder
Sahne gibt es dazu dieses große Glas undefinierbares gelbliches Puderzeugs.
«Bin ich verhaftet?»
«Kaffee?» wiederholte er. Jetzt
hatte er die Augen offen.
«Bin ich verhaftet?» fragte ich
erneut.
«Carlotta, du wirst mir noch
dankbar sein, daß ich’s so gemacht habe. Warum zum Teufel hast du mich nicht
angerufen? Ich muß mindestens zwanzigmal Nachricht hinterlassen haben.»
«Ich habe angerufen. Du warst
nicht da. Bin ich nun verhaftet oder nicht? Soll ich meinen Anwalt anrufen?»
«Jesus Maria, tut mir leid, daß
ich dein Leben durcheinandergebracht habe. Ich wollte dir nur einen Gefallen
tun. Vergiß es. Keine Anklage. Du kannst jederzeit gehen.»
Das war nun wirklich die Höhe.
Mooney wußte, daß ich nie gehen würde, ohne herausgefunden zu haben, was, zum
Teufel, eigentlich los war. Er wandte sich einem Aktenordner auf seinem
Schreibtisch zu, zog ein einzelnes Blatt Papier heraus und hielt es in der
rechten Hand. Er gab sich den Anschein, ein paar Zeilen aufmerksam zu lesen,
und schüttelte dann traurig den Kopf.
«Mooney —»
«Na los. Hau schon ab.»
Ich tat die zwei Schritte, die
nötig waren, um nahe genug heranzukommen, langte hinüber und riß ihm das Blatt
aus der Hand. Ich glaube, er ließ absichtlich locker. Noch beim Lesen ließ ich
mich auf den Gästestuhl fallen, ein widerliches Kunststoffmöbel.
Ich merkte kaum, wie unbequem
es war. Was ich in der Hand hielt, war das Vorstrafenregister eines gewissen
Thomas Charles Carlyle. Und ich sage Ihnen, dieser Thomas Charles Carlyle war
ein schwerer Junge, eine Ein-Mann-Verbrecherbande. Einfacher Diebstahl,
schwerer Diebstahl: drei Haftstrafen, zwei Verurteilungen. Dreimal wegen
illegalen Waffenbesitzes verhaftet. Vergewaltigung. Notzucht. Bewaffneter
Raubüberfall. Und so weiter.
Beigefügt waren Kopfbilder.
Kopfbilder sind immer übel, aber diese waren einfach schrecklich, denn Thomas
Charles Carlyle sah aus, als ob er eine Stunde, bevor der Fotograf eintraf,
einen Händel mit King Kong gehabt hätte. Seine Nase war auf einer
Gesichtshälfte vermatscht, seine Lippen waren zerschnitten und verquollen. Ein
Auge war zugeschwollen. Er trug einen Schnauzbart zur Schau. Wenn er den noch
abrasieren würde, könnte ihn nach dem Foto niemand mehr identifizieren. Ich
warf noch einmal einen Blick auf das Strafregister und fand zwischen den
anderen Verstößen den erwarteten Widerstand gegen die Staatsgewalt.
«Carlotta», sagte Mooney,
sobald ich aufblickte, «es gibt keine Immobilienfirma in Cedar Wash.»
Ich klappte den Mund auf und
wieder zu.
«Thomas C. Carlyle», fuhr er
fort, «dieser Thomas C. Carlyle, der Kerl mit dem Strafregister, wird
vom FBI gesucht. Sie haben eine heiße Spur. Sie glauben, er steht mit einer
Gruppe der radikalen Rechten im Lande in Verbindung, mit der New Survivalist
League, den neuen Überlebenskämpfern oder so was.»
Davon hatte ich schon gehört. Sie
hatten versucht, ein Waffenlager irgendwo in New Hampshire auszurauben.
Schossen mit ihren Knarren herum, machten Krawall, ergatterten ein paar
Handfeuerwaffen und eine Kiste Granaten. Ich schluckte und nickte.
«Sie benutzten dieses
Preisausschreiben, um ihn auszuräuchern», setzte Mooney hinzu. «Das haben sie
vor ein paar Jahren in Florida an ein paar steckbrieflich gesuchten Stinktieren
ausprobiert. Ein Haufen dieser Scheißkerle kam wirklich zum Abholen der Preise
und landete statt dessen im Knast.»
Durch die Leuchtstofflampen in
Mooneys Büro mußte ich die Augen zusammenkneifen. «Ist ja nicht zu fassen. Mein
Kater ist Abonnent von Mother Jones! Wie konnten sie ihn mit einem
Haufen Rechter in Zusammenhang bringen?»
Mooneys Schuhe knallten mit
einem dumpfen Geräusch auf den Boden, und er stand auf. Seine Größe wirkte
bedrohlich in dem kleinen Raum, und seiner Stimme konnte ich anhören, daß nicht
nur ich eine Stinkwut hatte. Er sprach leise, denn er wußte, daß die Bullen auf
der anderen Seite der Glastür zwar Arbeit vorschützten, aber die Ohren
aufsperrten. «Die FBI-Leute sind angewiesen, uns zu informieren, statt ihren
eigenen Scheißzirkus abzuziehen. Was sie hier machen, heißt für mich, daß sie
uns für Arschlöcher halten.»
«Also keine 20 000», sagte ich.
T. C. bekam nun doch nicht
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