Carlotta steigt ein
grüßte. Ich erschrak, doch dann fiel mir ein, daß der
Donnerstagmorgen-Volleyball diese Woche wegen der vielen Verletzungen
verschoben worden war. Meine spezielle Duftnote aus Taxi und Polizeiwache hätte
Chanel vor Neid erblassen lassen, also zog ich mich aus, warf die
Kleidungsstücke in den Wäschekorb und blieb so lange unter der brühheißen
Dusche, bis das Wasser kalt nachlief. Ich wickelte mein Haar und alles übrige
in passende übergroße grüne Handtücher. Das rote Lämpchen an meinem
Anrufbeantworter blinkte, als ich ins Schlafzimmer kam.
«Hallo, ganz schön flott, mit
Anrufbeantworter und allem, he? Ach so, ja, Detective Schultz am Apparat. Jay.
Also, hör mal, du hattest recht mit der Ware, die dein, na ja, dieser Freund
verkauft. Und, naja, wenn du noch mal Aufnahmen machen könntest, wie er
irgendwelche Fläschchen verschiebt, das würde uns weiterhelfen. Hm. Oder wenn
er in irgendwelche Wohnhäuser geht. Tja, das wär’s. Ach ja, tschüs natürlich.»
Er hatte beim Hörerauflegen noch weitergesprochen, und ich konnte hören, wie er
über all diese Scheißgeräte fluchte. Scheißgeräte lassen sich von jungenhaften
Schönlingen mit glattgestriegeltem Haar nicht sonderlich beeindrucken.
Im großen und ganzen bin ich
auch seiner Meinung. Wirklich, wer will schon mit einer Maschine reden? Ich
spielte die Mitteilung noch einmal ab. Im Klartext hieß das, Zipfelbart dealte
mit Crack, und die Cambridger Bullen sähen es gern, wenn ich ihn weiter
beschattete, damit sie sich den wichtigeren Sachen widmen konnten, etwa dem
Verhaften von jungen Mädchen am Harvard Square wegen unsittlichen, obszönen
Verhaltens.
Da gerade von unsittlichem,
obszönen Verhalten die Rede ist: Noch eine eindringliche Stimme war auf dem
Anrufbeantworter. Die von Sam, tief und rauh. Täte ihm ja leid, aber er sei die
nächsten paar Tage auswärts. Würde mich sofort anrufen, sobald er zurück sei.
Mist.
Ich trocknete mein Haar, bis es
wirr und halbwegs trocken war, und schlüpfte zwischen die kühlen Laken. Ich
stellte mir vor, wie das FBI meinen Kater verhaftete. Ich dachte an Zipfelbart,
getauft Horace. Ich schloß die Augen und sah Jackie Flahertys Gesicht auf Sams
gebräunten Körper projiziert. Ich fragte mich, ob Margaret Devens wohl den
Schock aushalten würde, in ein von Roz und Lemon gesäubertes Haus heimzukehren.
Nicht lange, und ich hatte mich bestens um den Schlaf gebracht. Sie kennen das
ja, eben brauchte man noch Zahnstocher, um die Augen offenzuhalten, und im
nächsten Augenblick ist man wieder hellwach. Mir geht es manchmal so. An der
Schlaflosigkeit ist nur eins positiv: daß sie nicht tödlich ausgeht. Ich habe
gelernt, nicht um jeden Preis einschlafen zu wollen, wenn ich nicht schlafen
kann. Also stand ich auf, fluchte ein wenig, zog mir bequeme alte Jeans und
einen langen Strickpullover an, aß Eier mit Speck zum Frühstück oder auch
Mittagessen, wenn man so will, und lenkte meinen Toyota nach Cambridge.
Ich lief dem alten Horace
Zipfelbart nicht gleich über den Weg. Selbst der Abschaum der Dealer macht ab
und zu Feierabend. Er war nicht auf seinem gewohnten Posten nahe Paolinas
Eingangstür. Ich nickte im Auto ein und wachte kurz nach 5 Uhr nachmittags mit
steifem Nacken und einem schlechten Geschmack im Mund wieder auf. Soviel zur
Schlaflosigkeit.
Horace war zur Stelle. In
seiner Bewegungslosigkeit sah er aus wie ein Denkmal, wie das «Standbild des
unbekannten Drogendealers». Ein Päckchen Zigaretten steckte im aufgerollten
Ärmel seines T-Shirts. Seine Haut wirkte noch gelber, als die Sonne hinter
grauen Wolken verschwand. Er saß da und starrte mit nichtssagendem Blick ins
Leere. Ich machte eine Aufnahme von ihm. Niemand kam in seine Nähe. Kurz nach
acht zündete er sich eine Zigarette an. Der rote Lichtpunkt glühte wie ein
Leuchtfeuer und setzte sich dann in Bewegung.
Ohne lange zu überlegen, fuhr
ich ihm nach. Ich konnte danach immer noch direkt zu G& W fahren.
Wenn er die U-Bahn am Kendall
oder Central Square bestieg, mußte ich ihn laufenlassen. Er hielt auf den
Central zu. Ich hinterher. Die Portland zur Main Street und weiter zur Mass.
Avenue. Einem Fußgänger mit dem Auto auf den Fersen zu bleiben, erfordert
Geduld. Ich ließ meine Scheinwerfer eine Zeitlang an, schaltete sie aus, wieder
an, zog an ihm vorbei, parkte, drehte ganz von seiner Straße ab und holte ihn
an der nächsten Ecke erneut ein. Er schien blind zu sein, wahrscheinlich hatte
er ein stärkeres Kraut als Camel
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