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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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gehen an der
Norfolk Street nicht über die Bühne. Ein Typ war so stoned, daß er mit den
hundert einverstanden war. Ich sagte, ich hoffte nur, er hätte ebenfalls
Herpes. Ich hatte kaum genug Zeit, meinen Kopf aus dem Fenster herauszuziehen,
so schnell zischte er ab.
    Ein blinkender Oldsmobile hielt
mit kreischenden Bremsen genau vor mir an. Die Tür ging auf, und die
Nuttenbrigade erfuhr eine Ergänzung. Ich drehte sofort ab, als ich ihr Gesicht
sah. Ich kannte die Dame. Du lieber Himmel, ich hatte sie ein paar Mal eingebuchtet,
wie hieß sie doch gleich? Marla? Marlene? Teufel auch, ich hatte sie mir so oft
vorgenommen, daß wir uns praktisch bestens kannten.
    Ich trat zurück, schloß die
Augen, hockte mich hin und lehnte mich gegen den Laternenpfahl.
    «Bist du okay, Schatz?» Marla
kniete neben mir. Sie war ein mütterlicher Typ. Vielleicht hatte sie deshalb
sechs Kinder, alle bei der Fürsorge. Ich machte die Augen nicht auf. Ich konnte
sie atmen hören, ihren Moschusduft riechen. «He», sagte sie, «he, kenne ich
dich nicht?»
    Mein Adrenalinspiegel stieg.
Aber ich konnte mich nicht zwischen Kampf oder Flucht entscheiden.
    «Laß mal sehen, wie heißt du
denn noch mal, Kleine?»
    Ich öffnete die Augen. Sie
starrte mich mit verblüfftem Stirnrunzeln an, dann holte sie tief Luft. Meine Beinmuskeln
spannten sich.
    Wir schauten uns einen
Augenblick, der wie eine Ewigkeit schien, in die Augen. Dann legte sie die Hand
auf den Mund und fing an zu kichern. «Du Miststück, kannst du denn gar nichts
mit dem Haar machen?» Sie gab mir einen freundlichen Klaps auf die Schulter,
und die anderen Mädchen entspannten sich.
    Marlas Haar hatte eine andere
Farbe als früher. Ich glaube, sie trug eine Perücke. Vor fünf Jahren hatte sie
alle Blicke auf sich gezogen mit ihren hohen indianischen Wangenknochen und den
endlos langen Beinen. Sie hatte zugenommen. Tiefe Ringe umschatteten ihre
Augen, und um sie zu übertünchen, hatte sie viel zuviel Makeup aufgelegt. Aber
in diesem Augenblick fand ich sie schön.
    «Marla-Schatz, lange her»,
sagte ich. «Komm, gehen wir ein Stück.»
    Wir schlenderten um den Block.
Sie fragte mich, ob sie unter Arrest stehe, mit hoffnungsvollem Unterton, als
ob sie für die Nacht keine Bleibe hätte. Ich erzählte ihr, daß ich nicht mehr
bei der Polizei wäre, woraufhin sie mir einen erschrockenen, ungläubigen Blick
zuwarf.
    «Du schaffst doch jetzt nicht
an, oder?» fragte sie.
    «Hör mal», sagte ich, «willst
du ein paar schnelle Dollars verdienen?»
    «Was muß ich dafür tun?» Sie
ging einem Gewerbe nach, bei dem Vorsicht sich auszahlt.
    «Ich brauche ein paar Bilder
von einem Haus und von jedem, der dort ein und aus geht. Wenn wir uns da drüben
hinstellen, einen knappen Meter von dem Hydranten entfernt, und du mir Deckung
gibst, damit sie nicht sehen können, was ich mache, bekommst du 50.»
    «75», sagte sie, «wenn ich
geschnappt werde, kann ich in dieser Gegend nicht mehr arbeiten.»
    «65», bot ich an, denn sie
erwartete von mir, daß ich feilschte.
    «Du bist eine knickerige
Schlampe», sagte sie mit einem Lächeln.
    «Und sonst?» fragte ich sie.
    «Es geht so», erwiderte sie.
«Die Kinder wachsen so schnell. Wo soll ich mich hinstellen? Und wie lange?
Wenn irgendwelche scharfen Typen dabei sind, bemerken sie uns mit Sicherheit.»
    Das war nur allzu wahr, so wie
wir beide gekleidet waren. Neben ihr sah ich durch und durch gutbürgerlich aus.
Ihre Satin-Boxershorts waren in der Leiste abgeschnitten und überließen kaum
noch etwas der Phantasie. Dazu trug sie ein Mieder aus unechtem Goldlamé, aber
nichts darunter, und durch die Maschen wäre auch ein Karpfen entkommen. Ich
zerrte an meinem Pullover, um mehr Schulter zu zeigen. Sicherlich wurden wir
bemerkt. Aber als Teil der Szene, wenn wir Glück hatten. Wir tarnten uns mitten
im Blickfeld als Statuen.
    Ich beschloß, Zipfelbart noch
eine Stunde zu geben. An meinen Schenkeln hatte ich eine Gänsehaut, und mein
Selbstwertgefühl litt allmählich, aber wie gesagt, ich bin starrköpfig.
    Manchmal, wenn auch höchst
selten, zahlt sich das aus.
    Ungefähr zwanzig Minuten später
ging es los. Wohl das letzte, was ich erwartet hatte.
    Ein Taxi, ein G& W-Taxi,
hielt vor dem Haus. Der Fahrer hupte nicht, er saß einfach da und wartete. Ich
konnte die Nummer auf dem rechten Kotflügel lesen: 863. Marla und ich waren
inzwischen schon gut eingespielt. Wir beugten uns zueinander und kicherten und
schwatzten wie alte Freundinnen, und

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