Carlotta steigt ein
fand eine Sandalette mit perfektem Absatz. Es muß zehn Minuten
gedauert haben, bis ich die zweite gefunden hatte. Ich war mir nicht ganz
sicher, ob sie zusammengehörten. Sie drückten mich, daß es die reinste Folter
war. Kein Wunder, daß ich sie nach hinten geschmissen hatte.
Ich beugte den Oberkörper
vornüber und schüttelte den Kopf, um die roten Locken zu verwuscheln. Dann
stieg ich pfeifend aus dem Auto, die Umhängetasche sorglos über den Arm
gehängt, und gleich wurden meine Anstrengungen durch ein anonymes bewunderndes
Pfeifen aus dem Park auf der anderen Straßenseite belohnt. Ich drehte mich um
und warf meinem unbekannten Bewunderer ein Komm-rüber-Lächeln zu.
Ich ging, wie Nutten zu gehen
pflegen, und gesellte mich zu dem schnatternden Haufen an der Ecke. Ich hatte
bei dieser Gruppe gerade noch gefehlt. Zwei Schwarze, eine Spanischstämmige von
höchstens sechzehn, eine verblichene Blondine, die aussah wie eine entsprungene
Schönheitskönigin vom Lande, und nun auch noch Mams jüdische Prinzessin dabei.
«Hallo», grüßte ich verhalten.
Ich wußte aus Erfahrung, daß diese Mädchen nicht gern mit Fremden plaudern.
«Hallo», erwiderte die größere
der beiden schwarzen Damen, nachdem sie sich unauffällig bei ihren Gefährtinnen
vergewissert hatte, ob mich eine von ihnen vielleicht kannte. Sie trug einen
Leder-Minirock und ein kurz geschnittenes Oberteil, das auch die unteren
Wölbungen ihrer Brüste kaum verhüllte. «Haste Renney heute gesehen?»
Ich nahm mir Zeit für die
Antwort, hielt die Augen halb geschlossen, lehnte mich an einen Laternenpfahl
und summte ein paar Töne vor mich hin. Die Laterne über mir war kaputt, ein
Glück, denn ich sehe zu gesund aus für ein Mädchen, das anschafft, bei all dem
Volleyball und Schwimmen. «Renney, ja», murmelte ich mit schweren Lippen,
«Renney ist ein Kerl, wirklich. Nichts, was Renney nicht weiß.» Ich nuschelte
die Worte in einer Art Singsang herunter. Ich hatte genug Nutten gesehen, die
gerade vom High herunterkamen, um das Verhalten zu kennen. Ich kratzte mich am
Arm und gähnte. «Jina hat es uns besorgt.»
Es gab da so einen Spitzel
namens Renney, der im Bezirk ein paar Puppen laufen hatte. Hoffentlich tauchte
er nicht gerade heute nacht auf, um eine Stichprobe zu machen. Jina war eine
örtliche Nutte, deren Leiche vor kurzem in South Boston aus einem Eisenbahnwaggon
gezogen worden war.
Ich hörte mir das Gequatsche
der Damen über Scheißfestnahmen mit 50-Dollar-Bußgeldern an, die gar nicht so
schlimm sind, wenn man 500 die Nacht einnimmt. Die ältere Schwarze, Estelle,
wollte dieses Leben drangeben, um mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.
Die spanischblütige Lady lachte in sich hinein und fragte die Schwarze, ob sie
denn wüßte, was sie bei McDonald’s die Stunde bezahlten. Die Blonde hatte einen
Freund, der sich mit AIDS infiziert hatte. Sie hatte daraufhin auch den Test
gemacht und war erleichtert, daß er negativ ausging. Nach einstimmiger Meinung
der Mädchen lief ohne einen AIDS-Checkup alle sechs Monate nichts mehr. Und nur
mit Kondomen. Wurden die Kerle nicht ohnehin! immer nervöser, und was, zum
Teufel, dachten sich eigentlich die Bullen dabei, die Typen ständig so zu
belästigen?
Autos drosselten die
Geschwindigkeit, hupten, hielten an. Das spanische Mädchen ging auf Fahrt. Die
kurze schwarze Lady mit dem glitzernden schmalen Oberteil und den frechen
Shorts machte in Begleitung eines Herrn mit lederner Reisejacke und silberner
Sonnenbrille einen Spaziergang in den Park. Fand ich gut, Sonnenbrille um
Mitternacht.
Mit dem Haus, das ich
beobachtete, tat sich nichts, aber das Licht leuchtete noch, ein gutes Zeichen.
Ich hielt die Kamera in der Schultertasche schußbereit in der Hand. Ich wußte
nicht recht, ob ich es wagen sollte, an dem Haus vorbeizugehen, um ein gutes
Foto zu machen. Und ich wollte auch nicht mein Inkognito für ein Stilleben lüften.
Wenn nicht bald etwas passierte, mußte ich entweder mein Nuttenspiel aufgeben
oder eine neue Karriere beginnen.
Ich überlegte, wie lange die
Mädchen wohl brauchten, um meinen fehlenden Ehrgeiz verdächtig zu finden. Klar,
ich ging mal ein Stück die Straße runter, aber nur bis zum nächsten nachts
geöffneten Supermarkt, wo man für einen Dollar die schmutzige Toilette benutzen
konnte. Ich trat auch mal an ein haltendes Auto heran und flüsterte dem
betreffenden Kerl etwas ins Ohr. Ich setzte meinen Preis viel zu hoch für die
Gegend an.
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