Carlotta steigt ein
ich drückte den Auslöser der Kamera. 863
war die Taxe von Sean Boyle, dem alten Kauz in Person. Ich erhaschte einen
Blick auf sein weißes Haar.
Er wartete ganze zwei Minuten,
dann ging das Licht im oberen Stockwerk des Hauses aus. Fünfzehn Sekunden
später öffnete sich die Eingangstür. Drei Männer kamen heraus.
Der erste Mann schien die
Leitfigur zu sein. Er trug einen konservativen Anzug, ein weißes Hemd, das im
Dunkeln leuchtete, und eine modische schmale Krawatte. Seine Gesichtszüge
wurden von einem würdigen Filzhut beschattet. Er wirkte irisch. Ich hatte ihn
noch nie zuvor gesehen.
Die beiden anderen gingen mit
einem halben Schritt Abstand hinter ihm her, wie Leibwächter. Der linke hatte
eindrucksvolle Muskelpakete. Er trug eine Sporttasche. Ich hatte schon vier
Aufnahmen gemacht, ehe mir klar wurde, daß der rechte Zipfelbart war.
Der gutgekleidete Mann stieg in
das Taxi. Die Sporttasche wurde ihm ausgehändigt. Jeder hielt ein wachsames
Auge auf diese Tasche.
Ich schoß Fotos, bis das Taxi
verschwand und Zipfelbart mit seinem Freund wieder ins Haus zurück ging. Ich
gab Maria ihre 65 plus einen 10-Dollar-Bonus aus den Gewinnen der IRA.
Zipfelbart und Sean Boyle. Die
beiden gemeinsam.
Feuer und Schwefel.
Oder, wie meine Großmutter zu
sagen pflegte: Nicht alle Butter stammt von einer Kuh.
26
Kaum war ich um die Ecke und
außer Sicht sowohl der Nutten als auch des Hauses in der Norfolk Street, fing
ich an zu rennen und brachte mich beinahe um mit diesen verfluchten Sandaletten
bei meinem Sprint zum Toyota zurück. Ich schleuderte sie von den Füßen, sobald
ich saß. Dann warf ich den Motor an und gab Gas.
Verdammt. Verdammt. Verdammt.
Sean Boyle war nie einzuholen. Hätte ich meine Taxe gehabt, die Taxe, die ich
vor zwei Stunden hätte abholen müssen, hätte ich den Funk einschalten, Gloria
rufen und herausfinden können, welche Richtung Boyle nahm. Ich kreischte um
eine Kurve und gebot mir dann abzukühlen. Ich hatte keine Lust, mich von den
Bullen aufgreifen zu lassen; nicht in diesem Aufzug, o nein.
Ich sah ein erleuchtetes
Taxischild vor mir und trat das Gaspedal durch. Es war nur ein unschuldiges Red
Cab, das ohne Fahrgast auf der Rückbank daherbummelte.
Ich bremste unschlüssig und
beschloß dann, zu Green & White zu fahren. Ich bezweifelte zwar, daß Gloria
mir freundlich gesinnt war angesichts meiner Verspätung, aber nichts in der
Welt würde mich davon abhalten können, einen Kerl mit einer Sporttasche zu
verfolgen, der G & W-Taxen nahm und sich mit solchem Abschaum wie
Zipfelbart herumtrieb. An der ersten Ampel hupte der Typ neben mir, jagte
seinen Motor hoch und schrie etwas aus dem Fenster. Ich fand Papiertücher in
meiner Tasche, und es gelang mir, den Lippenstift weitgehend vom Gesicht zu
wischen. An der zweiten Ampel knotete ich die Schnur um meine Taille auf und
zog den Pullover zu seiner vollen Länge herunter. Ich tastete auf der Rückbank
nach meiner Hose, aber ohne Erfolg.
Statt die Abkürzung zu nehmen,
entschied ich mich, die Harvard Street hinunterzurasen. Das ist kein großer
Umweg, und ich wollte kurz das Rebellion abchecken. John Flaherty hatte
seine Sporttasche dorthin gefahren wie eine heimwärts fliegende Taube. Warum
nicht auch Sean Boyle?
Boyles Taxe stand auf dem
Parkplatz.
Ich schoß daran vorbei, sicher,
meine Augen täuschten sich. Ein paar von den Taxen, die ich mir in der Nacht
vorher notiert hatte, parkten auf der Straße. Der Neonschriftzug der Kneipe
bestand jetzt aus leblosen schwarzen Röhren. Die Vordertür war vergittert, und
ein Vorhang aus Drahtgeflecht verdeckte die Fenster, aber irgend etwas ging
drinnen vor. Genau wie letzte Nacht. Ich spähte in meinen Rückspiegel —
hoffentlich hatte Mooney nicht noch mehr Bullen auf mich angesetzt. Die
gleichen Gedanken wie vorige Nacht gingen mir durch den Kopf: Was tun? Warten?
Aufnahmen machen? Riskieren, in die Bar zu gehen?
Ich stellte den Wagen im
Parkverbot um die Ecke ab. Ich faßte einen Entschluß. Da ich meine Jeans nicht
finden konnte, zwängte ich mich in meine Sportshorts. Sie waren zwar unter dem
langen Pullover nicht zu sehen, aber ich fühlte mich so besser. Ebenso mit dem
BH. Ich fand beide Turnschuhe, aber nur einen Socken. Ich warf ihn auf den
Rücksitz und zog die Schuhe über nackte Füße.
Ich habe schon öfter Autos
geknackt. Mit allem, was mir in die Finger kam, von verbogenen Drahtkleiderbügeln
bis hin zu hochspezialisiertem Wunderwerkzeug, das ein
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