Carlottas Kerker
Rechts und links verliefen dicke Wülste. Kleine, tückische Augen, die so gut wie keine Farbe besaßen. Die Stirn wuchs als Fläche so weit nach unten, dass sie direkt in die obere Seite des Mauls überging, und das war so breit, dass es sich von einem Ohr zum anderen hinzog. Auch keine normalen Ohren, sondern spitze Dinger, die zudem noch wie platt geklopft wirkten.
Und dieses Monstrum hatte sich nun aus dem Schatten gelöst. Es zeigte seine Freude ganz offen, denn sein Maul bewegte sich. Wieder waren schmatzende und keuchende Laute zu hören, und ein heller Sabber triefte hervor.
Abscheu und Ekel ballten sich bei dieser Kreatur zusammen, aber so empfand Carlotta nicht. Sie stand halb nackt da und wartete auf ihren Freund, der aufheulte, als er sie erreicht hatte und sich sogar vor ihre Füße zu Boden warf.
Er legte sich auf den Rücken wie ein Schoßhund, der zeigen wollte, dass er seinem menschlichen Herrn diente. Die Kreatur zog die mächtigen Beine an, das Gleiche passierte mit den Armen, und dann drang ein sattes Heulen aus dem Maul. Es schabte über den Boden, es räkelte sich, es bewegte seinen Kopf hin und her und war erst zufrieden, als es von Carlotta angesprochen wurde.
»Ja, ich weiß, dass du wunderbar bist, mein Freund. Ich weiß es doch. Und du weißt, dass wir uns nie trennen werden. Wir gehören zusammen. Ich habe dich gefunden, du hast mich gefunden, und so sind wir zu Partnern geworden.«
Das Monster schien nur auf die Worte gewartet zu haben. Sein Heulton änderte sich. Er klang jetzt leiser, fast wie ein Winseln. Jedenfalls hatte es genau auf die Worte gewartet und drückte so seine Freude aus.
Die halb nackte Frau bückte sich. Dabei streckte sie beide Arme nach vom und streichelte den Bauch der Kreatur. Sie fuhr auch mit den Händen in Richtung Kopf, was dem Wesen sehr gefiel, denn es wimmerte vor Freude weiter. Aus dem Maul schnellte eine breite Zunge wie ein Lappen hervor. Sie leckte an den Händen der Frau, die dies wohl sehr genoss, denn auch sie lächelte.
Perfekter konnten die Schöne und das Biest nicht in Szene gesetzt werden.
Liebe geht oft seltsame Wege. Aber bei diesem Paar konnte sich kein normaler Mensch vorstellen, dass es so war. Dieses abscheuliche Wesen konnte nur jemand lieben, der selbst irgendwie ein Monster war.
Nach einiger Zeit hörte Carlotta mit ihren Liebkosungen auf. Sie richtete sich auf, trat zur Seite und deutete auf die Tür.
»Komm hoch, komm! Wir sind bereit!«
Die Kreatur wimmerte nicht mehr. Sie wälzte sich herum auf den Bauch und stand auf. Es geschah sehr langsam, aber jetzt war zu sehen, welch eine mächtige Gestalt sich da aufrichtete. In der anderen Haltung war das nicht so genau zu erkennen gewesen, jetzt jedoch zeigte es seine wahre Größe, und die war beeindruckend.
Carlotta stand ebenfalls. Sie kam sich zwar nicht wie ein Zwerg vor, aber sie war schon um einiges kleiner als das Ungeheuer, und trotzdem zeigte sie keine Angst, denn sie lächelte der Gestalt zu.
»Komm...«
Mehr musste sie nicht sagen. Das Monster folgte ihr auf dem Fuße, als sie durch die offene Fenstertür schritt und in das rötliche Licht hineintrat. Es wurde von einigen Lampen gespendet, die aus gefärbten Glühbirnen bestanden. Sie waren an den Wänden angebracht und auch an der Decke. Kabel hielten sie, und ihr Licht glitt zudem über die Stufen einer nach oben führenden Treppe.
Carlotta ging sie hoch. Bei jedem Tritt verursachten ihre Schuhsohlen Echos. Sie waren auch das akustische Signal, dem das Monster folgte.
Die Treppe war recht lang, und sie führte in einer Geraden in die Oberwelt und endete dicht vor einer Tür, die nicht geschlossen war. Auf der obersten Stufe blieb Carlotta stehen. Sie schaute zurück, um zu sehen, was ihr Freund tat.
Er folgte ihr, kroch die Stufen hoch. Ein riesiges, unförmiges und klumpiges Etwas. Er schnaufte laut, und bei jeder Bewegung schwang der Körper von einer Seite zur anderen.
Carlotta zog die Tür so weit auf, dass sich das Wesen hindurchschieben konnte. Dahinter erstreckte sich ein großer Raum, der nur spärlich möbliert war. Die wenigen Möbel verloren sich fast darin. Ein Fernseher mit dem Plasmabildschirm hing an der Wand, und es standen auch in der richtigen Entfernung dazu ein breiter Sessel und ein schmalerer, auf dem die Zuschauer ihre Plätze fanden. Auch das Monster hätte auf dem breiten Möbel seinen Platz finden können.
Es kam. Wieder wälzte es sich über den Boden. Es tappte weiter, und dann
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