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Carlottas Kerker

Carlottas Kerker

Titel: Carlottas Kerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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richtete es sich auf.
    Carlotta lächelte. »Du bist aus dem Kerker heraus«, sagte sie. »Es ist unsere Nacht. Sollen wir?«
    Wieder erschien seine Zunge. Sie umleckte das breite Maul. Dann nickte das Wesen.
    »Komm...«
    Beide durchquerten den großen Raum. Sie musste eine weitere Tür öffnen, um in den Bereich des Eingangs zu gelangen. Die Kreatur wusste, was sie zu tun hatte. Sie hielt sich zurück und wartete darauf, dass man ihr die Tür öffnete.
    Carlotta tat es. Sie lauschte dem Quietschen nach, dann trat sie ins Freie und zog ihren Mantel über die nackte Haut. Es war in den letzten Nächten kalt geworden, und auch jetzt wehte ihr ein steifer Wind entgegen.
    Sie hielt ihr Gesicht gegen den Wind, als wollte sie all die Gerüche einsaugen, die zu ihr gebracht wurden. Erst als der Schatten neben ihr erschien, drehte sie den Kopf.
    Das Monster schaute nach unten.
    »Bist du bereit?«, fragte sie.
    Die Kreatur nickte.
    »Dann komm.«
    Es war ein Ritual, das beiden bekannt war. Carlotta streckte ihren rechten Arm zur Seite und spürte noch in der gleichen Sekunde die Berührung der Klaue an ihrer Hand. Hätte sie nicht gewusst, wer sie da anfasste, wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, eine derartige Kreatur neben sich zu haben.
    Beide gingen los. Sie wirkten wie ein Paar, als sie sich vom Haus entfernten, bei dem die Tür wieder geschlossen war.
    Sie gingen in die nächtliche Einsamkeit einer Küstenlandschaft, über die der kühle Nachtwind strich und das Gemälde der Wolken ständig veränderte.
    Dafür hatte die Frau keinen Blick. Sie wusste, wohin sie zu gehen hatte. Es gab keinen Weg, keinen Pfad, nur das harte struppige Gras und den leicht sandigen Boden, der recht weich war.
    Wie ein braver Schüler schritt das Monster neben ihr her. Es war mit keinem Tier auf der Welt vergleichbar. Man konnte es nur als eine Abart bezeichnen.
    Der Weg war vorgeschrieben. Beide kannten ihn, denn sie gingen ihn immer. Schon bald veränderte sich die Geräuschkulisse. Richtig still war es nie. Nun hörte man das Meer, dessen Wellen gegen einen Strand schlugen, an dem es nur wenig Sand gab, dafür aber eine mächtige Felswand.
    Das Meer war bereits zu sehen. Es wogte wie ein dunkler Vorhang, der sich vom Himmel gelöst und auf die Erde gefallen war. Hin und wieder waren einige Spritzer zu sehen, die wie kleine Schaumgeister über die Wellenkämme hinwegtanzten.
    Das Licht der Stadt lag hinter ihnen. Vor ihnen breitete sich das Gespenst der Nacht aus, das keinen Anfang und kein Ende zu haben schien. Es war eben da.
    Das Gras verschwand. Der Untergrund wurde kahler. Jetzt schimmerten erste Steine durch den Lehm, denn auch der weiche Sand war nicht mehr vorhanden.
    Nur noch wenige Meter, dann hatte das ungleiche Paar den Rand der Klippe erreicht.
    Dort blieben die beiden stehen!
    Die Blicke waren nach Osten gerichtet, weit hinaus auf das Meer. Die nächste Küste war weit entfernt. Sie gehörte zu Holland, zu Belgien und Frankreich. Dorthin fuhren auch die Fähren, die weiter nördlich in Harwich anlegten. Hier war von einem solchen Betrieb nichts zu sehen. Es war ein Flecken der Einsamkeit, wie es ihn überall an der Küste gab.
    »Wir müssen es tun. Es ist zu gefährlich geworden«, sagte Carlotta und schaute die Kreatur dabei an.
    Sie gab keine normale Antwort, aber sie hatte verstanden, denn sie nickte.
    »Bist du bereit?«
    Auch jetzt erhielt die Frau eine Antwort. Neben ihr ging das Monstrum in die Knie und stemmte sich wieder auf Hände und Beine. So wurde der Rücken zu einer Reitfläche.
    Carlotta kletterte darauf. Sie fühlte sich nicht mehr als normaler Mensch, denn sie hatte jetzt ihre zweite Persönlichkeit angenommen. Mit beiden Händen klammerte sie sich an den muskulösen Schulterteilen fest und rief in das Ohr des Ungetüms: »Ich zeige dir den Weg!«
    Es war das Startsignal für die Kreatur. Aus der hockenden Haltung sprang sie vor und über den Rand der Klippe hinweg.
    Carlotta schrie auf, als der scharfe Fallwind in ihr Gesicht schnitt. Sie rasten der Tiefe entgegen. Das wilde Meer lauerte auf sie mit seinen Gischtwolken, und für einen Augenblick sah es so aus, als würden beide hineintauchen und für alle Zeiten verschluckt werden.
    Bis etwas anderes geschah.
    Vom Körper der Kreatur lösten sich an den beiden Seiten plötzlich Schwingen. Es waren breite, aber auch zackige Schwingen, die dafür sorgten, dass der Fall gestoppt wurde. Die Reiterin spürte nur einen leichten Ruck, das war alles.
    Danach

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