Caroline und der Bandit
freuen konnte. Sie zog das Medaillon unter ihrer Bluse
hervor und zeigte ihren Schwestern das kleine Foto ihrer beiden Söhne.
Caroline
war gar nicht bewußt, wie schnell die Zeit verging. Irgendwann kam Guthrie
herein und brachte Mary und die Kinder mit, aber er bemühte sich, im
Hintergrund zu bleiben. Die beiden anderen Ehemänner, Lilys beeindruckend
großer Caleb Halliday und Emmas auf sanftere Weise gutaussehender Steven
Fairfax, erschienen ebenfalls nach einiger Zeit.
»So«, sagte
Lily seufzend, als die drei Schwestern allein in dem prächtigen Schlafzimmer standen,
das einmal ihrer Mutter gehört hatte, »hier hat Mama also die ganze Zeit
gelebt. Ich kann mir richtig vorstellen, wie träge sie ihre Tage verbrachte und
trank, um ihr schlechtes Gewissen zu betäuben.«
Emma legte
Lily sanft die Hände auf die Schultern. »Ich finde, wir sollten ihr verzeihen«,
sagte sie leise. »Wir haben uns endlich wiedergefunden, und wir haben alle
Ehemänner und Kinder, die wir lieben. Die Vergangenheit hat uns genug Leid
gebracht. Ich jedenfalls habe nicht vor, einen weiteren Gedanken daran zu
verschwenden.«
Caroline
stand vor der Kommode und hielt eine kleine Fotografie in
ihrer Hand. Sie konnte sich nicht entsinnen, einmal dafür posiert oder sie vor
jenem berüchtigten Tag, an dem sie und ihre Schwestern den Zug bestiegen
hatten, gesehen zu haben, aber unter dem Glas schauten sie drei kleine
vertraute Gesichter an. Ihr eigenes, Emmas und Lilys.
»Sie hat
uns geliebt«, sagte Caroline. »Sie wollte uns für alles entschädigen. Das ist
genug.«
Lily und
Emma nickten zustimmend.
Am nächsten
Tag versammelten sich die drei Familien in dem Haus, das Lily und ihr Mann
gemietet hatten, und Caroline war sehr zufrieden mit der Wahl ihrer Schwester:
Caleb Halliday war ein feiner Mann, gutaussehend und charakterstark genug, um
anständig für ihre Schwester zu sorgen. Emmas Steven war nicht ganz so groß wie
Caleb, aber mindestens so attraktiv mit seinem braunen Haar und seinen wachen,
klugen Augen, und er bewegte sich mit einer katzenhaften Anmut, die Caroline
sehr bewunderte.
Nach dem
Essen standen die drei Männer – zwei Rebellen und ein Yankee, dachte Caroline
lächelnd – am Kamin zusammen, tranken Brandy und rauchten Zigarren. Emma, Lily
und Caroline, die sich noch immer viel zu erzählen hatten, saßen in drei
Sesseln in einem engen Kreis. Die Babies schliefen in der Nähe in ihren Wiegen
oder Körben, von aufmerksamen Kinderschwestern überwacht.
Es wurde
spät, aber die Schwestern hörten nicht auf, zu reden, brachen nur dann und wann
ab, um ein bißchen zu weinen – weil es einfach so gut tat, wieder beisammen zu
sein. Caleb, Steven und Guthrie zogen sich schließlich in ihre Zimmer zurück,
und die Kleinkinder erwachten und wollten gefüttert werden.
Auch als
sie ihre Kinder an die Brust nahmen, hörten Caroline, Lily und Emma nicht auf
zu erzählen.
Der Morgen
graute schon, als Lily traurig sagte: »Ich kann den Gedanken, mich von euch zu
trennen, nicht ertragen. Ich wünschte, wir könnten alle in der gleichen Stadt
leben, aber Caleb und ich müssen rechtzeitig zur Saat auf unsere Farm zurück.«
Emma nickte
zustimmend. »Und Steven und ich nach New Orleans.«
Caroline
dachte an Guthries Mine und ihr schönes Heim in Bolton und wußte, daß sie in
Frieden dorthin zurückkehren konnte, weil sie die fehlenden Teile von sich
selbst gefunden hatte – ihre Schwestern. »Wir könnten uns alle ein- oder zweimal
im Jahr treffen – vielleicht in San Francisco oder Denver.«
Emma und
Lily nickten begeistert und sahen schon etwas glücklicher aus.
»Und wir
können uns natürlich schreiben. Das Wichtigste ist, daß wir uns nicht mehr aus den
Augen verlieren. Wenn ich jetzt in Zukunft an euch denke, kann ich mir sagen: > Lily ist da < , und > Emma ist dort < .« Wieder kamen ihr die Tränen,
aber diesmal waren es Freudentränen. »Ich liebe euch so sehr«, schloß sie
leise.
Lily und
Emma schluchzten und lachten zugleich, legten jede einen Arm um Carolines
Taille und blieben lange in inniger Umarmung stehen. Irgendwo in dieser Stadt,
in der ihr Abenteuer vor so langer Zeit begonnen hatte, pfiff schrill ein Zug
...
Weitere Kostenlose Bücher