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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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auf. »Ist Nelson noch in einem Stück?«
    »Wir haben ihn bloß so zum Spaß in den Verbrennungsofen gesteckt.«
    »Dass du mir den Hintern gerettet hast, heißt nicht, dass ich dich nicht erwürge.«
    Sliv zeigte auf eine Flügeltür am Ende des Flurs, auf der
Intensivstation
stand. »Ist da drin.«
    Mistletoe wandte sich zu Deirdre um, die ein paar Schritte hinter ihnen ging. »Hey, könnten Sie uns ’ne Minute allein lassen? Wir würden nur gern ganz kurz das eine oder andere nachholen.« Sie nahm Slivs menschliche Hand und drückte sie fest, flocht ihre Finger zwischen seine und zog ihn zu sich heran. Er roch nach Benzin.
    »Oh. Ich – ich wusste ja nicht …«, stammelte Deirdre. »Ich seh mir dann schon mal unsern Schlafplatz an.«
    Mistletoe lächelte. »Danke. Für alles.«
    »Die Chirurgische ist um die Ecke«, sagte Sliv, während Mistletoe ihn in Richtung Intensivstation schleifte. »Es gibt ’ne Dusche und mehrere Betten. Suchen Sie sich eins aus.«
    Mistletoe drückte die Schwingtüren auf. Im Raum dahinter zog Sliv sie an sich und legte forsch seine Hände um ihre Taille. Mistletoe stellte sich auf die Zehenspitzen, gerade lange genug, um ihm einen trockenen, flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben, dann schlängelte sie sich aus seiner Umarmung.
    »Das ist für vorhin«, sagte sie. »Wegen der Cops.«
    Sliv kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Also war das grad bloß Scharade.«
    Doch Mistletoe marschierte bereits quer durch den Raum, an einem Dutzend Scooter vorbei, die aus den unterschiedlichsten Gründen hoffnungslos schrottreif waren. Nelson lehnte neben einem Hängegitter voller Hämmer, Schraubenzieher und Bohrer an der Wand.
    »Musste mir Frau Professor vom Hals schaffen«, sagte sie und strich mit der Hand über Nelsons aufgerissenes Sitzpolster.
    Sliv folgte ihr und schlug seine silberne Zahnradhand klirrend gegen Nelsons Nase. Erschrocken sah Mistletoe zu ihm auf.
    »Das wär’s also – ’n halber Kuss und du verdünnisierst dich wieder.« Er verschränkte die Arme über der Brust. »Ich hoffe echt, der Typ ist es wert.«
    »Hier geht’s nicht um irgend ’nen Typen. Was ist los mit dir?«
    Er sah gekränkt aus. Sie griff nach seiner Hand, doch er schüttelte sie ab. »Ich bin keiner, dem du was vorlügen musst«, sagte er.
    »Okay.« Sie atmete tief durch. »Es gibt ’nen Typen. Aber mit ihm es ist wirklich nicht so, wie du denkst. Na ja, jedenfalls nicht so richtig. Ist schwer zu erklären. Er ist einfach ein Teil von mir.«
    Sliv machte ein Gesicht, als hätte er gerade einen großen Schluck saure Milch getrunken.
    »Was ist mit den Mädchen hier?«, fragte sie schnell. »Hast du je …«
    Er grinste spöttisch. »Uhrmacher haben Regeln gegen so was. Wir sind nicht bloß ein Rudel Tiere.«
    »Ich weiß. So hab ich’s nicht gemeint.«
    »Schon gut.« Er deutete auf ihren Hals. »Hast die Kette wohl nicht gemocht.«
    Ihre Hand legte sich auf ihr Schlüsselbein. »Ich musste sie bei ’nem Taximann für ’ne Fahrt eintauschen.«
    »Na, hoffentlich hat er dich bis rüber nach Island kutschiert. Die Kette war aus echtem Gold.«
    »Ja klar. Und vom Sphärenschild regnet’s Mangos.«
    »Ich zeig dir ’nen Hinterausgang, der dich hier rausbringt, wenn du mir zwei Sachen versprichst.«
    »Vielleicht und vielleicht.«
    »Erstens: Komm irgendwann zurück. Zweitens: Tausch das hier nie gegen irgendwas ein.«
    Mit seiner menschlichen Hand löste er einen Bronzering von dem Metallkolben in seinem Unterarm und schob ihn auf Nelsons abgeschabten und rostigen Lenker.
    Ohne die Orientierungshilfe der Chmura Dité folgte Mistletoe kilometerlang feuchten, tropfenden, faulig riechenden Tunneln in Sackgassen und verfallene U-Bahn-Stationen, in denen überall verbogene Drehkreuze herumlagen. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie wenig womöglich noch von Ambrose übrig wäre, wenn sie ihn schließlich finden würde. Sie kämpfte gegen den Drang, vor Verzweiflung laut aufzuschreien, als sie in einiger Entfernung einen weichen Lichtschimmer bemerkte, der auf die Schienen sickerte. Sie gab Nelson die Sporen, schlitterte um die Kurve und konnte gerade noch rechtzeitig bremsen, um nicht in eins der ledernen Sofas vor dem Labor der zwei alten Brüder zu rauschen.
    Nachdem sie den Raum betreten hatte, lehnte sie Nelson an einen türlosen, schwach nach Senf riechenden Kühlschrank und zog Slivs Ring vom Lenker. Für ihren Finger war er zu groß, für ihr Handgelenk zu klein. Pilzartige grüne Flecken

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