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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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Schreibtisch, auf dem
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stand, zog Sliv den Handschuh aus und knöpfte sein Tarnfarbenshirt auf. Er griff nach unten, um sich die Hose zu öffnen, dann fiel ihm scheinbar ein, dass er Gesellschaft hatte.
    »’tschuldigt mich«, murmelte er und verschwand in einem Büro hinter dem Schreibtisch.
    »Hier ist es doch ganz okay«, sagte Deirdre. Sie klang beinahe überzeugt. »Es ist gut. Hier unten bist du besser aufgehoben.«
    Ein führerloser roter Staubsauger zuckelte auf sie zu und schleifte ein langes Kabel hinter sich her. Neben dem Schreibtisch hielt er an und senkte den Rüssel eines ausladenden Zubehörteils, um eine Ansammlung stahlgrauer Fussel aufzusaugen, dann zog er sich wieder Richtung Flur zurück.
    »Nicht unbedingt genau
hier
«, sagte Deirdre und starrte auf den frisch gesäuberten Punkt auf dem Fliesenboden. »Aber hier unten, unter dem Sphärenschild, außer Reichweite des Signals. Solange du in Bewegung bleibst.«
    »Hab ich vor«, erwiderte Mistletoe. Sie sah zu, wie der Staubsauger hinter dem skelettierten tropfenförmigen Chassis eines Oberstadtautos verschwand, und fragte sich, ob Sliv Nelson nicht angerührt hatte oder der Scooter wegen der Ersatzteile bereits ausgeschlachtet worden war.
    »Also, beschreib mir dein Unison-Erlebnis«, sagte Deirdre.
    »Verwirrend und gruslig trifft’s im Großen und Ganzen.«
    »Ich brauche ein paar Einzelheiten.«
    »Ambrose zu finden war ziemlich leicht, weil der Name, den er benutzt hat, als Sie ihn getroffen haben –«
    »Adam Trevor.«
    »– überall groß auf Plakaten stand, weil er am Abend ein Konzert geben sollte. Bloß, als ich ihn gefunden hatte, dachte er wirklich, er wär Adam, so als wär’s kein gefaktes Profil mehr. Er war grade dabei, sich ’nen Song über ’ne Wolke auszudenken. Ich hab ihn davon losgerissen, aber das hat nicht lang gehalten. Wenn ich also nicht so schnell wie möglich wieder reingehe, um Ambrose daran zu erinnern, wer er ist –«
    »Das kann ich nicht zulassen.«
    »Es ist nicht Ihre Entscheidung.«
    »Dir dieses Log-in zu geben war ein Fehler. Ich hatte die ganze Zeit recht: Das Beste, was du tun kannst, ist weglaufen.«
    »Ich lasse Ambrose nicht im Stich. Er würde mich auch nicht im Stich lassen.«
    »Das weißt du doch gar nicht. Und da ich mir immerhin fünfzehn Jahre lang eine Karriere aufgebaut habe, die du an einem einzigen Nachmittag ruiniert hast, könntest du meinen Rat wenigstens kurz in Betracht ziehen.«
    Mistletoe starrte auf den Boden, entdeckte einen dunklen Fleck, der dem Staubsauger entgangen war. Sie fühlte sich wie irgendein böser Geist aus einem Märchen, der wie ein Blitz im Leben der Menschen auftaucht und nichts als Trümmer zurücklässt. Ihr Handgelenk streifte die Log-in-Kapsel in ihrer ausgebeulten Tasche. Bei der nächstbesten Gelegenheit, unter einem Vorwand von Professor O’Hanlon wegzukommen, würde sie sich auf den Weg zum einzigen subsphärischen Signal machen, von dem sie wusste.
    »Was ist da drin sonst noch passiert?«, fragte Deirdre.
    Mistletoe hob den Blick. Sie bemerkte die Falten um die Augen der Frau, die tiefen Furchen des Kummers, die sich in ihre Stirn gegraben hatten. Vielleicht blieb man als Überlebender am Ende müde und hohl zurück; vielleicht war Pjotr der Glückliche.
    »Martins Riesenvilla ist gewachsen.«
    »Du hast Greymatter gesehen?«
    »Ging gar nicht anders. Alle Welt strömt dorthin. Es ernährt sich von den Profilen der Leute oder so ähnlich.«
    Deirdres Blick verlor sich in weiter Ferne. »Ich war immer der Überzeugung, dass die Menschen hier unten darum kämpfen sollten, Zugang zu Unison zu erhalten, dass wir eine Verantwortung hätten, jedem menschlichen Wesen zu seinem Anteil an dem Fortschritt zu verhelfen, den solch ein großes soziales Netzwerk darstellt. Aber gegen Ende glaubte Pjotr, dass wir ohne es besser dran wären. Er hat immer gesagt: ›UniCorp pflanzt User wie Samen, sieht zu, wie sie gedeihen, und wartet auf die Ernte.‹«
    Als die Bürotür aufging, drehte Mistletoe sich dankbar zu Sliv. Er trug jetzt ein schwarzes T-Shirt und eine graue Hose, die mit gelben und grünen Farbflecken übersät war.
    »Ich zeig euch beiden noch kurz eure Kojen, bevor’s Frühstück gibt.« Er winkte mit dem entblößten Metall seines linken Arms und marschierte voraus in den Flur.
    Deirdre legte Mistletoe ihre Hand auf die Schulter. »Pjotr hatte recht.«
    Mit einem Schulterzucken schüttelte Mistletoe sie ab und schloss zu Sliv

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