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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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trübten die Bronze. Sie ließ ihn in ihre Tasche gleiten, wo er sich eng an Deirdres Kapsel schmiegte, dann lief sie geradewegs zur offenen Seite des hohlen Drahtstamms, der sich von der hohen, gewölbten Decke herunterstreckte. Der Eimer mit den blutigen Lumpen war verschwunden, ebenso die unzähligen Tastaturen und Monitore. Die Drähte, die in Ambroses Handflächen gesteckt hatten, baumelten schlaff im Inneren. Sie war froh, dass Magnus und Ivor nicht hier waren. Sie hatte keine Ahnung, ob UniCorp ihr Log-in auch hier unten aufspüren konnte.
    Dieser Ort ist ihr
Zuhause
, rief sie sich ins Gedächtnis. Was gab ihr das Recht, sich in das Leben wildfremder Leute zu mischen und es für alle Zeiten zu verändern? Sie dachte an Deirdre. Dann dachte sie an Ambrose. Sie hob einen der baumelnden Implantatsdrähte auf und untersuchte die Spitze, eine dreieckige Klinge, verklebt von getrocknetem Blut.
    »Planen wir einen kleinen chirurgischen Eingriff heut Abend?«
    Sie ließ den Draht fallen und drehte sich um. Magnus und Ivor standen in dem Bogengang am anderen Ende des Raums. Sie hatten sich umgezogen, trugen jetzt holzkohlegraue Gewänder, und Magnus hatte einen weichen, breitkrempigen Hut auf dem Kopf, der sein Gesicht in Schatten hüllte.
    Ivor machte einen Schritt in den Raum. »Komisch, wie die Dinge sich ändern«, sagte er mit einem überraschenden Anflug guter Laune. Hinter ihm, im Dämmer des Bogengangs, rührten und regten sich dunkle Schemen.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Mistletoe. »Sie haben’s mir angeboten, ich bin abgehauen, und jetzt bin ich wieder da.«
    »Denk daran, dass, nachdem du den einen der beiden Drähte in deine Hand gesteckt hast, du diese Hand noch dazu brauchst – und hier würde ich vorschlagen, für einen besseren Griff das Blut abzuwischen –, um die andere zu durchstoßen«, sagte Ivor. Er gab Magnus einen Schubs. »Also vorwärts, Bruder.«
    Sie traten aus dem Bogengang heraus, gefolgt von drei pelzigen braunen Viechern aus dem stillen Zoo, die schnaubend unter der Last kunstvoller, um ihre Rücken geschlungener Geschirre dahintrotteten. Als sie näher heran waren, erkannte Mistletoe, dass an jedem der Geschirre stapelweise Gerätschaften befestigt waren: Monitore und Tastaturen aus dem Labor, Kästen voller gedruckter Bücher und Bedienungsanleitungen, Spulen mit Isolierdraht. Sie sah zu, wie Magnus in seine Tasche griff und etwas herauszog, dass die tropfnasse Zunge der Kreatur hinter ihm mit einem großen Wisch aufschlabberte.
    »Puffreis«, sagte Magnus. »Ich fürchte, du hast dir für deinen Besuch einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, denn wir waren gerade auf dem Weg nach draußen.«
    »Mein Besuch ist geschäftlich«, antwortete Mistletoe. »Ich hab das hier.« In ihrer geöffneten Hand lag die zitternde Kapsel. »Es ist ein Einmal-Log-in. Ich brauche nur ein Signal.«
    Magnus nahm seinen Hut ab, wobei filzig weiße Haarsträhnen zum Vorschein kamen, und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Er stieß die Kapsel mit dem Finger an, dann richtete er sich wieder auf und wandte sich an seinen Bruder.
    »Wir hinken tatsächlich meilenweit hinterher, Ivor.«
    »Daher das Exil. Was dich betrifft, junge Dame, unser Signal strahlt aus. Wenn du keine Hartkodierung benötigst, brauchst du nichts weiter zu tun, als in der Nähe zu sein.«
    Mistletoe schaute von Magnus zu Ivor, tief erleichtert darüber, dass sie sich keine Drähte in die Handflächen bohren musste. »Sie gehen weg?«
    Ivor wischte sich mit einem ausgefransten Stoffstreifen über die Stirn. »Wie gesagt, es ist komisch, wie die Dinge sich ändern.«
    Magnus setzte seinen Hut wieder auf. »Das hier ist nicht mehr unser Kampf – schon seit Jahren nicht mehr. Es ist Zeit für uns, beiseitezutreten und alles Weitere dir und Ambrose zu überlassen.«
    »Man kann den Sinneswandel meines Bruders ziemlich genau bis zu dem Moment zurückverfolgen, in dem ich ihn mit einer Polizeiwaffe gelähmt habe«, sagte Ivor. »Wie dem auch sei, was immer ab jetzt passiert, wir werden dermaßen weit abgetaucht sein, dass es uns nicht die Bohne kümmert.«
    »Er meint es nicht so«, sagte Magnus.
    Ivor begann, die kleine Herde von Packtieren zu der Tür zu lotsen, die hinaus in die U-Bahn-Tunnel führte. »Doch, tue ich«, polterte er über die Schulter. »Ich bin jetzt offiziell im Ruhestand.«
    »Das mit dem Tritt tut mir leid!«, rief Mistletoe ihm nach.
    Er antwortete mit einem durchdringenden Pfeifton. Mit Riesensätzen

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