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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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feststellte, das erste Boot um 7 Uhr 10, das letzte um 20 Uhr 15,
und Willem war an einem Wochentag hiergewesen. Das nächste Schiff war in
fünfzehn Minuten fällig. Während er darauf wartete, beobachtete er die
Ruderboote und die roten Eichhörnchen, genau wie Willem dies getan hatte, und
als das Schiff ankam, setzte er sich ins Heck, wo Willem gesessen hatte, im
Freien unter dem Schutzdach. Seine Mitpassagiere waren eine Horde Schulkinder
und drei Nonnen. Er kniff vor der blendenden Helle die Augen halb zu und
lauschte dem Geschnatter der Kinder. Auf halber Strecke stand er auf, schritt
durch die Kabinen zum vorderen Fenster und sah hinaus, offensichtlich um etwas
zu überprüfen, schaute auf die Uhr, kehrte dann wieder zu seinem Platz zurück
und blieb sitzen bis zum Jungfernstieg, wo er an Land ging.
    Willems Geschichte stimmte. Smiley
hatte es nicht anders erwartet, aber in einer Welt beständigen Zweifels war
ein zusätzlicher Beweis immer willkommen.
    Er aß zu Mittag, ging dann zur
Hauptpost und studierte eine Stunde lang alte Telefonbücher, wie damals die
Ostrakowa in Paris, wenn auch aus anderen Gründen. Nach Beendigung seiner
Nachforschungen ließ er sich zufrieden in der Halle des Hotels Vier
Jahreszeiten nieder und las Zeitungen bis zum Abend.
     
    In einem Hamburger
Vergnügungsführer war das >Blue Diamond< nicht unter Nachtklubs
angeführt, sondern unter >L'amour< und mit drei Sternen ausgezeichnet
wegen seiner Exklusivität und seiner hohen Preise. Es lag in Sankt Pauli, doch
diskret abseits vom Touristenrummel, in einer leicht abfallenden,
gepflasterten Straße, die dunkel war und nach Fisch roch. Smiley drückte auf
die Klingel, und ein elektrischer Türöffner summte. Er trat ein und stand
unmittelbar in einem gepflegten Vorraum, voll grauer Apparaturen, die von einem
smarten jungen Mann in grauem Anzug bedient wurden. An der Wand drehten sich
langsam graue Tonbandspulen, doch die Musik, die sie spielten, war anderswo zu
hören. Am Empfangspult flackerte und tickte eine mit den letzten Raffinessen
ausgestattete Telefonanlage.
    »Ich möchte einige Zeit hier
verbringen«, sagte er.
    Von hier aus haben sie auf meinen
Telefonanruf geantwortet, dachte er, als ich Wladimirs Hamburger
Gesprächspartner zu erreichen suchte.
    Der smarte junge Mann zog ein
Formular aus seinem Pult und erklärte in vertraulichem Gemurmel die Prozedur,
wie ein Rechtsanwalt, der er wahrscheinlich tagsüber hauptberuflich war.
Mitgliedsbeitrag einhundertfünfundsiebzig Mark, sagte er leise. Dies sei eine
einmalige Beitrittsgebühr, die Smiley ein volles Jahr zu freiem Eintritt
berechtige, sooft er wolle. Das erste Getränk würde ihn weitere fünfundzwanzig
Mark kosten, und danach seien die Preise hoch, aber nicht übermäßig. Das erste
Getränk sei obligatorisch und, wie der Mitgliedsbeitrag, vor Eintritt zu
bezahlen. Alle anderen Arten der Unterhaltung seien gebührenfrei, doch nähmen
die Mädchen Zuwendungen dankend entgegen. Smiley solle das Formular mit einem
Namen seiner Wahl unterschreiben. Es würde von dem jungen Mann hier
höchstpersönlich abgelegt werden. Bei seinem nächsten Besuch brauche er sich
dann nur an seinen Beitrittsnamen zu erinnern, und er würde dann ohne weitere
Formalitäten eingelassen werden.
    Smiley zählte sein Geld hin und
fügte den Dutzenden von falschen Namen, die er in seinem Leben verwendet
hatte, einen weiteren hinzu. Er stieg eine Treppe hinunter bis zu einer zweiten
Tür, die sich ebenfalls elektronisch öffnete und einen Durchgang freigab, an
dem eine Reihe Separees lagen, leer, denn in dieser Welt fing die Nacht gerade
erst an. Am Ende des Durchgangs war eine dritte Tür, hinter der ihn totale
Finsternis empfing und die auf höchste Lautstärke gedrehte Musik von den
Tonbändern des smarten jungen Mannes. Eine männliche Stimme sprach zu ihm, ein
Punktlicht führte ihn an einen Tisch. Er bekam eine Getränkekarte
ausgehändigt. >Besitzer C. Kretzschmar<, las er unten auf der Seite in
Kleindruck. Er bestellte Whisky.
    »Ich möchte allein bleiben. Keine
Gesellschaft.«
    »Ich werde entsprechend Bescheid
geben, mein Herr«, sagte der Kellner mit vertraulicher Würde und nahm sein
Trinkgeld an.
    »Übrigens, Herr Kretzschmar. Ist er
zufällig aus Sachsen?«
    »Jawohl, mein Herr.«
    Schlimmer als ein Ostdeutscher, hatte Toby Esterhase gesagt. Ein Sachse. Sie klauten
zusammen. Sie hurten zusammen, sie fälschten zusammen Berichte. Eine ideale
Ehe.
     
    Er nippte an seinem Whisky

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