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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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schwierig für ihn, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
    »Für jeden«, korrigierte ihn Herr
Kretzschmar. »Für jeden war es schwierig. Die Zeiten waren phantastisch hart.
Die Jugend von heute hat keine Ahnung.«
    »Nicht die geringste«, bestätigte
Smiley. »Und sie waren besonders hart für Flüchtlinge. Ob sie nun aus Estland
oder aus Sachsen kamen, das Leben war hart für sie.«
    »Absolut richtig. Die Flüchtlinge
hatten es am schwersten. Bitte, fahren Sie fort.«
    »Damals blühte der Handel mit
Informationen. Aller Art von Informationen. Militärischer, industrieller,
politischer, wirtschaftlicher. Die Siegermächte waren bereit, hohe Summen für
Material zu bezahlen, das sie jeweils über die anderen aufklärte. Mein
Stammhaus war in diesem Handel tätig und unterhielt hier einen Vertreter,
dessen Aufgabe darin bestand, derartiges Material zu sammeln und es nach
London zu übermitteln. Herr Leipzig und sein Partner wurden gelegentlich von
uns mit Aufträgen betraut. Als freie Mitarbeiter.«
    Trotz der Nachricht vom tödlichen
Unfall des Generals huschte ein schnelles und unerwartetes Lächeln wie eine
Brise über Herrn Kretzschmars Züge:
    »Freie Mitarbeiter«, sagte er, als
habe der Ausdruck es ihm besonders angetan. »Frei«, wiederholte er. »Genau das
waren wir.«
    »Derartige Verbindungen sind
naturgemäß nicht auf Dauer angelegt«, fuhr Smiley fort. »Doch Herr Leipzig
hatte als Balte gewisse Ziele im Auge und korrespondierte weiterhin noch
längere Zeit mit meiner Firma über Mittelsmänner in Paris«, er hielt inne,
»vornehmlich über einen General. Der General mußte vor ein paar Jahren aufgrund
eines Streits nach London übersiedeln, doch Otto blieb mit ihm in Kontakt. Und
der General seinerseits spielte weiter den Mittelsmann.«
    »Bis zu seinem Unfall«, warf Herr
Kretzschmar ein.
    »Ganz recht.«
    »War es ein Verkehrsunfall? Ein
alter Mann - ein bißchen unachtsam?«
    »Erschossen«, sagte Smiley und sah,
wie Herrn Kretzschmars Gesicht sich wieder unwillig verzog. »Er ist erschossen worden«, fügte Smiley hinzu, wie um ihn zu beruhigen. »Es war kein Selbstmord oder
sonstiges Selbstverschulden.«
    »Natürlich«, sagte Herr Kretzschmar
und bot Smiley eine Zigarette an. Smiley lehnte ab, also zündete er sich
selbst eine an, tat ein paar Züge und drückte sie aus. Seine blasse
Gesichtsfarbe war um eine Schattierung bleicher geworden.
    »Sind Sie mit Otto
zusammengekommen? Kennen Sie ihn?« fragte Herr Kretzschmar und machte auf
leichten Plauderton.
    »Ich bin einmal mit ihm
zusammengekommen.«
    »Wo?«
    »Ich bin nicht befugt, darüber zu
sprechen.«
    Herr Kretzschmar runzelte die
Stirne, doch eher ratlos als mißbilligend.
    »Sagen Sie, bitte. Wenn Ihr
Stammhaus - na schön, London -Herrn Leipzig direkt erreichen wollte, wie ging
es da vor?« fragte Herr Kretzschmar.
    »Über das Hamburger Abendblatt.«
    »Und wenn es sehr dringend war?«
    »Über Sie.«
    »Sind Sie von der Polizei?« fragte
Herr Kretzschmar ruhig.
    »Scotland Yard?«
    »Nein.« Smiley starrte Herrn
Kretzschmar an, und Herr Kretzschmar starrte zurück.
    »Haben Sie etwas für mich
mitgebracht?« fragte Herr Kretzschmar. Smiley war ratlos und antwortete nicht
sofort. »So etwas wie einen Empfehlungsbrief? Eine Karte, zum Beispiel?«
    »Nein.«
    »Nichts vorzuzeigen? Sehr schade.«
    »Vielleicht werde ich Ihre Frage
besser verstehen, wenn ich ihn gesehen habe.«
    »Aber das Foto, das haben Sie doch
offensichtlich gesehen? Haben Sie es zufällig bei sich?«
    Smiley zog seine Brieftasche und
reichte den Abzug über den Schreibtisch. Herr Kretzschmar hielt ihn an den
Rändern, sah ihn einen Augenblick prüfend an, aber nur pro forma und legte ihn
dann auf die Plastikfläche vor sich hin. Sein sechster Sinn sagte Smiley, daß
Herr Kretzschmar sich anschickte, eine Aussage zu machen, wie dies die
Deutschen manchmal so tun, eine Aussage zu seiner philosophischen Einstellung
oder seiner persönlichen Entlastung, auf daß man ihn liebe oder bemitleide.
Smiley schwante, daß Herr Kretzschmar, zumindest nach seinem
Selbstverständnis, ein umgänglicher, wenn auch mißverstandener Mensch war; ein
Mann von Herz, ja Herzensgüte, und daß seine Wortkargheit nur ein berufliches
Requisit war, das er widerstrebend zur Schau stellte, in einer Welt, die mit
seinem von Natur aus zartbesaiteten Wesen oft nicht in Einklang stand. »Ich
möchte Ihnen nur sagen, daß ich hier ein anständiges Haus leite«, bemerkte Herr
Kretzschmar,

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