Carre, John le
und fand zu seiner Linken einen großen
Parkplatz. Eine Baumzeile teilte ihn in zwei Hälften, und auf einigen Wagen lag
abgefallenes Laub. Ein Automat nahm sein Geld und gab ihm dafür ein Ticket zum
Anstecken an die Windschutzscheibe. Er fuhr in die Mitte einer Reihe rückwärts
ein, stieß so weit es ging nach hinten bis zu einem Erdwall, so daß sein
Kofferraum möglichst außer Sicht war. Er stieg aus, und die Hitze traf ihn wie
ein Schlag. Es war nicht der leiseste Windhauch zu spüren. Er sperrte den Wagen
ab und legte die Schlüssel in den Auspuff, ohne daß er hätte sagen können
warum, vielleicht aus Schuldgefühl gegenüber der Verleihfirma. Er häufte mit
dem Fuß Laub und Sand, bis das vordere Nummernschild fast verschwunden war. Bei
diesem Altweibersommerwetter würden in einer Stunde hundert und noch mehr
Wagen auf dem Parkplatz sein.
Er hatte ein
Herrenbekleidungsgeschäft in der Hauptstraße bemerkt. Er kaufte eine
Leinenjacke und sonst nichts, denn an Leute, die sich vollständig
ausstaffieren, erinnert man sich. Er zog die Jacke nicht an, sondern ließ sie
in eine Plastiktüte stecken: In einer Seitenstraße voller Boutiquen kaufte er
sich einen auffälligen Strohhut und in einem Papierwarengeschäft eine
Wanderkarte von der Umgebung sowie einen Fahrplan von Hamburg,
Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Auch den Hut setzte er nicht auf, sondern
steckte ihn, wie die Jacke, in eine Plastiktüte. Die unerwartete Hitze machte
ihm zu schaffen. Er ärgerte sich darüber, sie war so unangebracht wie Schnee im
Sommer. Er betrat eine Telefonzelle und wälzte wieder Telefonbücher. Das
Ortsverzeichnis von Hamburg kannte keinen Kretzschmar, doch in einem der
Telefonbücher von Schleswig-Holstein stand ein Kretzschmar, der an einem Ort
wohnte, von dem Smiley nie gehört hatte. Er studierte seine Landkarte und fand
eine kleine Stadt, die so hieß und die zu seiner großen Genugtuung auf der
Hauptbahnlinie nach Hamburg lag.
Wieder schob Smiley alle anderen
Gedanken eisern beiseite und überdachte in aller Ruhe die Lage. Unmittelbar
nach Auffindung des Wagens würde die Polizei sich mit der Verleihfirma in Hamburg
in Verbindung setzen. Sobald sie von ihr Namen und Personenbeschreibung des Ausleihers
bekommen hätte, würde sie den Flugplatz und andere Grenzstationen alarmieren.
Kretzschmar war ein Nachtvogel und würde lange schlafen. Die Stadt, in der er
wohnte, war in einer Stande mit dem Personenzug zu erreichen.
Er ging wieder zum Bahnhof zurück.
Die Schalterhalle war eine wagnersche Phantasie von einem gotischen Königshof,
mit einer gewölbten Decke und einem riesigen Butzenscheibenfenster, durch das
farbige Sonnenstrahlen auf den gekachelten Boden fielen. Von einer
Telefonzelle aus rief er den Flughafen Hamburg an, meldete sich mit J.
Standfast, dem Namen, der auf dem Paß stand, den er in seinem Londoner Klub
mitgenommen hatte. Das nächste Flugzeug nach London ging abends um sechs, aber
es waren nur noch Plätze in der ersten Klasse verfügbar. Er buchte erste Klasse
und sagte, er würde am Flugplatz den Aufschlag auf sein Economy Ticket
bezahlen. Das Mädchen sagte: »Dann kommen Sie bitte eine halbe Stunde vor der
Abfertigung.« Smiley versprach das - er wollte, daß sie sich daran erinnerte -,
nein, leider, Mister Standfast konnte keine Telefonnummer angeben, unter der er
bis dahin zu erreichen war. Nichts in ihrem Ton deutete an, daß ein
Sicherheitsbeamter mit einem Fernschreiben in der Hand hinter ihr stand und ihr
Anweisungen ins Ohr wisperte, doch er vermutete, daß Mister Standfasts
Platzreservierung in ein paar Stunden eine Kettenreaktion auslösen würde, denn
schließlich hatte ja ein Mister Standfast den Opel gemietet. Er ging wieder zur
Bahnhofshalle und zu den farbigen Lichtbündeln zurück. Es waren zwei Schalter
vorhanden, mit zwei kürzen Schlangen davor. Am ersten bediente ihn ein
intelligentes Mädchen, und er erstand einen Fahrschein, zweite Klasse, einfach,
nach Hamburg. Doch es war ein absichtlich umständlicher Kauf, voller Unentschlossenheit
und Nervosität. Und als er ihn getätigt hatte, wollte er sich die Abfahrts- und
Ankunftszeiten aufschreiben. Wozu er sich von ihr Kugelschreiber und Schreibblock
auslieh.
Auf der Herrentoilette räumte er
zuerst den Inhalt seiner Taschen um, allem voran das wohlbehütete Stück
Ansichtskarte aus Leipzigs Boot, zog die Leinenjacke an und setzte den Strohhut
auf und ging dann zum zweiten Schalter, wo er ohne viel Aufhebens
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