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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Wirtschaftsproblem
des Handelsaustausches zwischen hochindustrialisierten Ländern.
    Ohne das Radio aus den Augen zu
lassen, richtete er einen Klappstuhl auf und setzte sich darauf. Langsam
wendete er den Blick wieder zu Leipzigs Gesicht. Manche Gesichter, ging es ihm
durch den Kopf, nehmen im Tod ein stumpfsinniges, ja geradezu idiotisches
Aussehen an, wie das eines Kranken unter Betäubung. Andere spiegeln eine
einzige Stimmung ihrer vielschichtigen Natur wieder - der Tote als Liebhaber,
als Vater, als Autofahrer, Bridgespieler, Tyrann. Und einige, wie das von
Wladimir, spiegeln gar nichts wider. Doch Leipzigs Gesicht drückte, trotz des
Knebels, eine Stimmung aus, und zwar Zorn, zur Wut gesteigert durch den
Schmerz; Zorn, der angewachsen war und den ganzen Mann erfaßt hatte, als der
Körper seine Kraft verlor.
    Haß, hatte Connie gesagt.
    Smiley sah methodisch um sich,
dachte so langsam, wie er es irgend fertig brachte, versuchte, aus den
Trümmern den Handlungsablauf zu rekonstruieren. Zuerst der Kampf, bevor sie
ihn überwältigten, abzulesen an den zertrümmerten Tischbeinen und Stühlen und
Lampen und Regalen und an allem anderen, was man irgendwo abreißen und zum
Schlagen oder Schleudern verwenden konnte. Dann die Durchsuchung, nachdem sie
ihn gefesselt hatten, während der Verhörpausen. Ihre Enttäuschung war überall
deutlich sichtbar. Sie hatten Wand- und Fußbodenbretter herausgerissen,
Schubladen, Kleider und Matratzen, und schließlich, als Otto Leipzig sich immer
noch weigerte zu sprechen, alles, was sich auseinandernehmen ließ, bis auf
winzigste Gegenstände. Er bemerkte Blut an den überraschendsten Stellen - im
Waschbecken, über dem Herd. Der Gedanke, daß nicht alles von Otto Leipzig
stammen könnte, bereitete ihm eine gewisse Genugtuung. Schließlich hatten sie
ihn aus Verzweiflung umgebracht, denn so lauteten Karlas Befehle, das war
Karlas Philosophie: Killen geht vor kirren, hatte Wladimir immer gesagt.
    Auch ich glaube an Otto Leipzig, dachte Smiley töricht, in Erinnerung an
Herrn Kretzschmars Worte. Nicht in allen Kleinigkeiten, aber in den großen
Dingen. Ich auch, dachte er. Er glaubte in diesem Augenblick auch an ihn,
so sicher, wie er an den Tod glaubte und an den Sandmann. Und was für Wladimir
galt, galt auch für Otto Leipzig: Der Tod hatte entschieden, daß er die
Wahrheit gesagt hatte.
    Vom Strand her hörte er eine Frau
gellen:
    »Was hat er gefunden? Hat er was
gefunden? Wer ist er?«
    Er stieg wieder nach oben. Der Alte
hatte die Ruder eingezogen und ließ das Dingi treiben. Er saß mit dem Rücken
zur Leiter, den Kopf tief zwischen die breiten Schultern gesteckt. Er hatte
seine Zigarette zu Ende geraucht und sich eine Zigarre angezündet, als sei es
Sonntag. In dem Augenblick, als Smiley den Alten sah, sah er auch die
Kreidemarke. Sie lag in der gleichen Blickrichtung, doch ganz dicht vor ihm,
sie flimmerte in den beschlagenen Gläsern seiner Brille. Er mußte den Kopf
senken und über den Brillenrand schauen, um sie deutlich wahrzunehmen. Eine
Kreidemarke, scharf und gelb. Ein sorgfältig über den Rost der Reling gezogener
Strich, und dicht daneben eine Angelschnur, die mit einem Seemannsknoten
festgemacht war. Der Alte beobachtete ihn, desgleichen wahrscheinlich die
wachsende Gruppe von Zuschauern am Strand, doch ihm blieb keine andere Wahl. Er
zog an der Schnur, und sie spannte sich. Er zog stetig, Hand über Hand, bis die
Schnur in Darm überging, und nun zog er daran. Plötzlich wurde der Darm sehr
straff. Vorsichtig zog er weiter. Die Leute am Strand warteten gespannt, er
konnte ihr Interesse sogar über das Wasser hinweg spüren. Der Alte hatte den
Kopf nach hinten gelegt und schaute durch den schwarzen Schatten seiner Mütze.
Plötzlich sprang der Fang mit einem >Plup< aus dem Wasser, und ein
schallendes Gelächter erhob sich unter den Zuschauern. Ein alter Turnschuh,
grün, mit eingezogenem Schuhband. Der Haken, an dem er hing, war groß genug, um
einen Haifisch zu landen. Das Gelächter erstarb allmählich. Smiley nahm den Schuh
vom Haken. Dann strebte er auf die Kabine zu, als hätte er dort noch etwas zu
erledigen, und verschwand darin. Die Tür ließ er einen Spalt offen, damit Licht
hereinkam.
    Aber zufällig hatte er den
Turnschuh mitgenommen.
    Ein in Ölhaut gewickeltes Päckchen
war in die Schuhspitze geheftet. Er zog es heraus. Es war ein Tabaksbeutel,
der oben zugenäht und mehrmals gefaltet war. Moskauer Regeln , dachte er
hölzern. Moskauer Regeln von A

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