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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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eine
Fahrkarte für den Personenzug nach Kretzschmars Wohnort kaufte. Dabei vermied
er es, den Beamten anzuschauen, konzentrierte sich im Schutz seines
auffallenden Strohhuts völlig auf die Fahrkarte und das Fahrgeld. Bevor er die
Halle verließ, traf er eine letzte Vorsichtsmaßnahme. Er rief bei Kretzschmar
an, sagte, er habe sich verwählt und erfuhr von einer empörten Frau, daß es
ein Skandal sei, irgend jemanden zu so nachtschlafender Zeit aufzuwecken.
Schließlich faltete er noch die Plastiktüten zusammen und steckte sie ein.
    Die Stadt lag mitten im Grünen und
bestand aus weitläufigen Rasenflächen und sorgfältig eingezäunten Villen.
Jeglicher Überrest einstmaligen Landlebens war seit langem den Armeen der Suburbia
anheimgefallen, doch die strahlende Sonne verschönte alles. Nummer acht war auf
der rechten Straßenseite, ein stattliches, zweistöckiges Haus mit Walmdach und
Doppelgarage inmitten einer breit gestreuten Auswahl viel zu eng aneinander
gepflanzter Bäume. Eine Hollywoodschaukel mit geblümtem Plastiksitz stand neben
einem Fischteich, Produkt der letzten Nostalgiewelle. Doch die Hauptattraktion
und Herrn Kretzschmars Stolz war ein Swimming-pool in einem eigens dafür
angelegten Patio aus knallroten Ziegeln, und dort sah Smiley ihn im Schoß
seiner Familie und im Kreis einiger Nachbarn, die er an diesem unwahrscheinlichen
Herbsttag zu einer zwanglosen Gartenparty eingeladen hatte. Herr Kretzschmar
war in Shorts und bediente höchstselbst den Grill, und als Smiley auf die
Klinke des Gartentors drückte, unterbrach er sein löbliches Tun, um sich nach
dem Neuankömmling umzusehen. Doch der Strohhut und die Leinenjacke führten ihn
irre, und er schickte seine Frau.
    Frau Kretzschmar erschien in einem
rosa Badeanzug und einen durchsichtigen rosa Umhang, den sie auf dem Weg zum
Gartentor kühn hinter sich herflattern ließ. Sie trug ein Sektglas vor sich
her wie eine Kerze.
    »Wer kommt denn da? Wer macht uns diese hübsche Überraschung?« fragte sie neckisch, als spräche sie zu
ihrem Hündchen. Sie blieb vor ihm stehen. Sie war braungebrannt und groß und,
wie ihr Mann, solide gebaut. Smiley konnte nur wenig von ihrem Gesicht sehen,
denn sie trug eine Sonnenbrille mit dunklen Gläsern und einem weißen
Plastikschnabel als Nasenschutz gegen Sonnenbrand.
    »Hier ist die Familie Kretzschmar,
die ihren Freizeitvergnügungen nachgeht«, sagte sie ein wenig zurückhaltender,
als Smiley sich immer noch nicht vorgestellt hatte. »Was können wir für Sie
tun? Womit können wir dienen?«
    »Ich muß Ihren Mann sprechen«,
sagte Smiley. Es waren seine ersten Worte seit dem Fahrscheinkauf und seine
Stimme war belegt und unnatürlich.
    »Aber Cläuschen arbeitet tagsüber
nicht«, sagte sie fest, wenn auch immer noch lächelnd. »Tagsüber hat das
Profitdenken laut Familienerlaß Ruhe. Soll ich ihm Handschellen anlegen, um Ihnen
zu beweisen, daß er hier bis Sonnenuntergang unser Gefangener ist?«
    Ihr Badeanzug war zweiteilig und
ihr glatter, praller Bauch mit Sonnenöl eingerieben. Sie trug ein goldenes
Kettchen um das Fußgelenk, wahrscheinlich als zusätzliches Zeichen ihrer Natürlichkeit.
Und Goldsandaletten mit sehr hohen Absätzen. »Bitte sagen Sie Ihrem Mann, daß
es sich um nichts Geschäftliches handelt«, sagte Smiley. »Es ist ein
Freundschaftsbesuch.« Frau Kretzschmar nippte an ihrem Sekt, dann nahm sie die
dunklen Gläser mit dem Plastikschnabel ab, wie bei einem Maskenball um
Mitternacht. Sie hatte eine Stupsnase. Ihr freundliches Gesicht war ein gut
Teil älter als ihr Körper.
    »Wie kann es sich um einen
Freundschaftsbesuch handeln, wo ich nicht einmal Ihren Namen kenne?« fragte
sie, unschlüssig darüber, ob sie weiterhin zuvorkommend oder abweisend sein
sollte.
    Inzwischen war Herr Kretzschmar ihr
nachgegangen und ließ seinen Blick von Smiley zu seiner Frau, dann wieder
zurück zu Smiley schweifen. Die gesetzte Haltung und der starre Gesichtsausdruck
des Besuchers ließen Herrn Kretzschmar vielleicht den Grund von Smileys Kommen
ahnen.
    »Schau nach dem Grill«, sagte er in
knappem Ton.
    Herr Kretzschmar nahm Smiley am Arm
und führte ihn in ein Wohnzimmer mit Messingleuchtern und einem Panoramafenster
voller Dschungelkakteen.
    »Otto Leipzig ist tot«, sagte
Smiley unvermittelt, sobald die Tür hinten ihnen zu war. »Zwei Männer haben ihn
umgebracht.«
    Herrn Kretzschmars Augen öffneten
sich sehr weit, dann drehte er sich um und legte die Hände vors Gesicht.
    »Sie haben eine

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