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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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interessierten Geheimsachen ihn weit weniger als formale
Einzelheiten.
    »Im Wirtschaftsministerium. Vierte
Etage ... im Konferenzzimmer. Gegenüber den Toiletten«, parierte Grigoriew mit
mißglücktem Sarkasmus.
    »Wo wohnten Sie?«
    In einem Gästehaus für höhere
Beamte, erwiderte Grigoriew. Er nannte die Anschrift und fügte sogar ironisch
seine Zimmernummer hinzu. Manchmal endeten unsere Besprechungen erst spät
nachts, sagte er - jetzt gab er sogar Auskünfte, die gar nicht verlangt worden
waren; doch am Freitag herrschte noch immer sehr heißes Sommerwetter, und daher
wurde die Sitzung früher aufgehoben, damit die Teilnehmer, wenn sie dies
wünschten, aufs Land fahren könnten. Grigoriew hatte keine derartigen Pläne.
Grigoriew sagte, er habe über das Wochenende in Moskau bleiben wollen. Aus
gutem Grund: »Ich hatte verabredet, zwei Tage in der Wohnung einer jungen Frau
namens Eudokia zu verbringen, meiner früheren Sekretärin. Ihr Mann war
auswärts beim Militär«, erklärte er, als handelte es sich hier um ein ganz
gängiges Arrangement zwischen Männern von Welt; ein Arrangement, das zumindest
Toby, als verwandte Seele, gebilligt hätte, auch wenn seelenlose Kommissare
dafür kein Verständnis aufbrachten. Dann ging es, zu Tobys Erstaunen, straks
weiter. Von seinem Techtelmechtel mit Eudokia kam Grigoriew unerwartet und
unmittelbar zum Kern aller Fragen:
    »Leider scheiterte meine
Wahrnehmung des getroffenen Übereinkommens am Dazwischentreten von Mitgliedern
des Dreizehnten Direktoriums, bekannt auch als Karla-Direktorium. Ich erhielt
Anweisung, mich unverzüglich zu einer Besprechung einzustellen.«
     
    In diesem Augenblick klingelte das
Telefon. Toby nahm den Anruf entgegen, legte auf und sprach zu Smiley.
    »Sie ist wieder zu Hause
eingetroffen«, sagte er, immer noch auf Deutsch.
    Ohne Umschweife wandte Smiley sich
direkt an Grigoriew: »Herr Botschaftsrat, man meldet uns, Ihre Gattin sei jetzt
wieder zu Hause. Es läßt sich daher nicht umgehen, daß Sie unverzüglich dort
anrufen.«
    »Dort anrufen?« Grigoriew fuhr
entsetzt zu Toby herum. »Er sagt mir, dort anrufen! Was sage ich ihr?
>Grigoriewa, hier spricht liebender Gatte! Bin von West-Spionen
entführt!< Ihr Kommissar ist verrückt! Verrückt!«
    »Sagen Sie ihr bitte, daß Sie gegen
Ihren Willen aufgehalten wurden«, sagte Smiley.
    Seine Friedfertigkeit schürte noch
Grigoriews lodernde Entrüstung: »Ich sage das zu meiner Frau? Zu Grigoriewa?
Bilden Sie sich ein, Sie wird mir glauben? Sie wird mich sofort bei meinem
Botschafter anzeigen. >Herr Botschafter, mein Mann ist weggelaufen! Holen
Sie ihn zurück!<«
    »Der Kurier Krassky überbringt
Ihnen allwöchentlich Befehle aus Moskau, nicht wahr?« fragte Smiley.
    »Der Kommissar weiß alles«, sagte
Grigoriew zu Toby und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Wenn er alles weiß,
warum spricht er dann nicht selber mit Grigoriewa?«
    »Sie werden am Telefon einen
dienstlichen Ton anschlagen, Herr Botschafter«, riet Smiley. »Erwähnen Sie
Krassky nicht namentlich, aber lassen Sie durchblicken, daß Sie Anweisung
erhielten, ihn zu einem konspirativen Gespräch irgendwo in der Stadt zu
treffen. Dringender Fall. Krassky hat seine Pläne geändert. Sie haben keine
Ahnung, wann Sie nach Hause kommen oder was er will. Wenn sie protestiert,
machen Sie kurzen Prozeß. Sagen Sie ihr, es sei ein Staatsgeheimnis.«
    Sie sahen, wie er erschrak, sie
sahen, wie er nachdachte. Und dann sahen sie, wie sich ein leises Lächeln in
seine Züge stahl. »Ein Geheimnis«, wiederholte Grigoriew leise. »Ein Staatsgeheimnis.
Ja.«
    Kühnen Schritts begab er sich zum
Telefon und wählte eine Nummer. Toby stand dicht neben ihm und hielt eine Hand
diskret in der Schwebe, um sie auf die Gabel zu schmettern, falls Grigoriew
irgendeinen Trick versuchen sollte, doch Smiley wies ihn mit einem kleinen
Kopfnicken auf seinen Platz zurück. Sie hörten Grigoriewas Stimme »Ja?« sagen,
auf Deutsch. Sie hörten Grigoriews kühne Erwiderung, danach wieder seine Gattin
- es ist alles auf Band -, die energisch zu wissen begehrte, wo er jetzt sei.
Sie sahen, wie er sich straffte und das Kinn reckte und eine dienstliche Miene
aufsetzte; sie hörten ihn ein paar knappe Sätze bellen und eine Frage stellen,
auf die offenbar keine Antwort erfolgte. Sie sahen, wie er den Hörer wieder
auflegte, blankäugig und rosig vor Vergnügen und die kurzen Arme entzückt in
die Luft warf, wie jemand, der ein Tor geschossen hat. Und dann brach

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