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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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Namenszug.
Dann Grigoriew, sichtlich ungelenk auf einem Fahrrad, wie er in die Auffahrt
zum Sanatorium einschwenkt; dann wiederum die Grigoriewa, verdrossen im Wagen
hockend, diesmal neben Gertschens Scheune, auf dem Wagendach ihr Fahrrad
verzurrt. Aber das Foto, das Grigoriew am längsten fesselte, war, wie Smiley
feststellte, die Tele-Aufnahme, die den Meinertzhagen-Mädchen gelungen war. Die
Qualität war nicht besonders, aber die beiden Köpfe im Wagen konnte man deutlich
erkennen, auch wenn sie Mund an Mund zusammengewachsen schienen. Einer gehörte
Grigoriew. Der andere, der mit menschenfresserischer Gier über ihn herfiel,
gehörte der kleinen Natascha.
    »Das Telefon steht zu Ihrer
Verfügung, Herr Botschaftsrat«, ließ Smiley sich ruhig vernehmen, als Grigoriew
sich noch immer nicht regte.
    Doch Grigoriew war über diesem
letzten Foto erstarrt, und seine Miene drückte äußerste Verzweiflung aus. Er
war nicht nur ein ertappter Mann, dachte Smiley; er war ein Mann, dessen schönster
und bisher in den Schleier des Geheimnisses gehüllter Liebestraum plötzlich an
die Öffentlichkeit gezerrt und zum Gespött geworden war.
    Wiederum im gleichen lustlosen Ton
amtlicher Notwendigkeit begann Smiley nun mit dem, was Karla als die
Pressionsphase bezeichnet hätte. Andere Inquisitoren, sagt Toby, hätten Grigoriew
eine Wahl geboten und dadurch unweigerlich den Widerstand des Russen und den
russischen Hang zur Selbstzerstörung wachgerufen: eben jene Impulse, sagt er,
die eine Katastrophe hätten heraufbeschwören können. Andere Inquisitoren, behauptet
er, hätten gedroht, gebrüllt, wären schließlich pathetisch und vielleicht sogar
gewalttätig geworden. Nicht so George, sagt er: niemals. George hielt bis
zuletzt den gleichmütigen Erfüllungsgehilfen durch: Grigoriew, wie alle
Grigoriews dieser Welt, nahm ihn als sein unabwendbares Geschick an. George
schloß jede Wahl kategorisch aus. George machte Grigoriew klar, warum er keine
Wahl haben könne: Das Wichtigste, Herr Botschaftsrat - sagte Smiley, als erläuterte
er eine Steuerforderung-, sei zu bedenken, welche Wirkung diese Fotos dort
auslösen könnten, wo sie sehr bald unter die Lupe genommen würden, wenn man
nichts unternähme, um ihre Weiterleitung zu verhindern. Da seien erstens einmal
die Schweizer Behörden, sagte Smiley, die verständlicherweise über den
Mißbrauch eines schweizerischen Passes durch einen akkreditierten Diplomaten
ungehalten sein würden, ganz zu schweigen von dem schweren Verstoß gegen die
Bankgesetze. Energischer offizieller Protest müßte die Folge sein, und die
Grigoriews würden über Nacht nach Moskau zurückgeschickt, alle zusammen, um nie
wieder die Früchte eines Auslandsposten zu genießen. Aber auch daheim in
Moskau würde man Grigoriew kaum mit offenen Armen empfangen, erklärte Smiley.
Seine Vorgesetzten im Außenministerium brächten wohl wenig Verständnis auf für
sein Verhalten, »sowohl im privaten wie im beruflichen Bereich«; von einer weiteren
Verwendung im Staatsdienst könne keine Rede sein. Er würde als Verbannter im
eigenen Land leben müssen, sagte Smiley, und seine Familie mit ihm. Seine
ganze Familie. »Stellen Sie sich vor, daß Sie vierundzwanzig Stunden am Tag
Madame Grigoriewas Grimm im hintersten Sibirien über sich ergehen lassen
müßten«, war der Sinn seiner Rede.
    Woraufhin  Grigoriew  auf einen 
Stuhl  plumpste und  beide Hände über dem Kopf zusammenschlug, als fürchte er,
der Schädel könne ihm platzen.
    »Und schließlich«, sagte Smiley und
blickte, wenn auch nur ganz kurz, von seinem Notizbuch auf - und was er darin
las, sagte Toby, weiß Gott allein, die Seiten waren liniert, aber im übrigen
völlig leer -, »schließlich, Herr Botschaftsrat, gilt es noch, die Reaktion
gewisser staatlicher Sicherheitsorgane auf diese Fotos zu bedenken.«
    Und nun ließ Grigoriew seinen Kopf
los, zog das Taschentuch aus der Brusttasche und begann, sich die Stirn zu
wischen, doch so heftig er auch wischte, der Schweiß trat immer wieder von
neuem hervor. Er rann so unaufhaltsam, wie Smileys Schweiß damals im Verhörraum
in Delhi, als er Karla Auge in Auge gegenübergesessen hatte.
    Smiley ging völlig in seiner Rolle
als bürokratischer Sendbote des Unvermeidlichen auf: Er seufzte abermals und
wendete pedantisch eine weitere Seite in seinem Notizbuch um.
    »Herr Botschaftsrat, darf ich
fragen, um welche Zeit Sie Ihre Gattin und die Kinder vom Picknick
zurückerwarten?«
    Grigoriew war noch

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