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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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einem geräumigen und prächtigen Büro, wie es einem hohen Staatsbeamten und
großen Sowjetkämpfer zukommt, sondern in einem so kärglichen Raum, daß er als
Gefängniszelle hätte dienen können, mit einem leeren Schreibtisch in der Mitte
und einem hölzernen Besucherstuhl davor: Bedenken Sie, ein großer
Sowjetkämpfer und ein mächtiger Mann! Und alles, was er hatte, war ein leerer
Schreibtisch, den nur eine höchst armselige Lampe beleuchtete! Und dahinter saß
dieser Priester, ein Mann ohne alle Eitelkeit oder Großspurigkeit - ein Mann
von gründlicher Erfahrung, würde ich sagen -, ein Mann aus den Wurzeln seines
Landes gewachsen, mit kleinen, stetig blickenden Augen und kurzem grauen Haar,
und er hielt die Hände aneinander, während er rauchte.«
    »Was rauchte?« fragte Smiley und schrieb.
    »Wie bitte?«
    »Was rauchte er? Die Frage ist doch
sehr einfach. Eine Pfeife, Zigaretten, Zigarren?«
    »Zigaretten. Amerikanische, und der
Raum war voll von ihrem Aroma. Es war wieder wie in Potsdam, als wir mit den
amerikanischen Offizieren aus Berlin verhandelten. >Wenn dieser Mann die
ganze Zeit Amerikanische raucht<, dachte ich, >dann ist er bestimmt ein
Mann von Einfluß.<« In seiner Erregung fuhr Grigoriew wieder zu Toby herum
und erklärte ihm dasselbe nochmals auf Russisch. Amerikanische Zigaretten
rauchen, Kettenrauchen, sagte er: Man stelle sich die Kosten vor, den Einfluß,
den man haben muß, um so viele Päckchen zu bekommen!
    Dann bat Smiley, getreu seinem
pedantischen Gehabe, Grigoriew möge vormachen, was er meine mit »die Hände
aneinanderhalten«, während er rauchte. Und er beobachtete gleichmütig, wie
Grigoriew einen braunen hölzernen Bleistift aus der Tasche nahm und seine
beiden plumpen Hände vor dem Gesicht darüber schloß, den Bleistift in beiden
Händen hielt und parodierend daran sog, wie jemand, der beidhändig aus einem
Becher trinkt.
    »So!« erklärte er, und unversehends
schlug seine Stimme abermals um, und er rief laut lachend Toby etwas auf
Russisch zu, was Toby zu diesem Zeitpunkt nicht übersetzungswürdig fand und was
auch in der Tonbandumschrift nur als »obszön« wiedergegeben wird.
    Der Priester befahl Grigoriew Platz
zu nehmen und beschrieb zehn Minuten lang die intimsten Details von Grigoriews
Liebesverhältnis mit Eudokia, desgleichen seiner Affairen mit zwei weiteren
jungen Frauen, die beide früher als seine Sekretärinnen, eine in Potsdam, die
andere in Bonn, gearbeitet und schließlich -was die Grigoriewa nicht wußte -
sein Lager geteilt hatten. An dieser Stelle konnte Grigoriew, wenn man ihm
glauben durfte, nicht mehr an sich halten, er sprang beherzt auf und fragte, ob
er deshalb quer durch halb Rußland hierhergebracht worden sei, um sich eine
Moralpredigt anzuhören: »Daß jemand mit seiner Sekretärin schlief, sei kein
unbekanntes Phänomen, sagte ich ihm, nicht einmal im Politbüro! Ich schwor ihm,
daß ich niemals Affairen mit Ausländerinnen gehabt hätte, nur mit Russinnen.
>Auch das ist mir bekannt<, sagte er. >Indes bezweifle ich, daß die
Grigoriewa diesen feinen Unterschied zu würdigen wüßte.<« Und dann ließ
Grigoriew zu Tobys anhaltender Verblüffung eine weitere Salve kehligen Lachens
los; und obwohl de Silsky und Skordeno gemäßigter mit einstimmten, überdauerte
Grigoriews unbändige Heiterkeit die aller übrigen, so daß sie warten mußten,
bis sie abgeklungen war.
    »Sagen Sie uns jetzt bitte, warum
der Mann, den Sie den Priester nennen, Sie holen ließ«, sagte Smiley aus den
Tiefen des braunen Tweedmantels.
    »Er teilte mir mit, daß ich für das
Dreizehnte Direktorium einen Sonderauftrag in Bern übernehmen solle. Ich dürfe
mit niemandem darüber sprechen, auch nicht mit meinem Botschafter, es sei zu
streng geheim für jeden Dritten. >Aber<, sagt der Priester, >Ihrer
Frau werden Sie es sagen. Die persönlichen Umstände machen es Ihnen unmöglich,
ohne Kenntnis Ihrer Frau einen konspirativen Auftrag zu erfüllen. Das weiß
ich, Grigoriew. Also sagen Sie's ihr.< Und er hatte recht«, kommentierte
Grigoriew. »Ein kluger Mann. Er hat klar bewiesen, daß nichts Menschliches ihm
fremd ist.«
    Smiley wandte eine Seite um und
schrieb weiter. »Bitte, fahren Sie fort«, sagte er.
    Zuerst, sagte der Priester, müsse
Grigoriew in der Schweiz ein Bankkonto eröffnen. Der Priester händigte ihm
tausend Schweizer Franken in Hunderternoten aus und wies ihn an, sie als erste
Einzahlung zu benutzen. Er solle das Konto nicht in Bern eröffnen, wo

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