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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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immer
ausschließlich mit seinem Taschentuch beschäftigt.
    »Madame Grigoriewa und die Kinder
picknicken in den Wäldern von Elfenau«, erinnerte Smiley ihn. »Wir haben Ihnen
ein paar Fragen zu stellen, indes wäre es bedauerlich, wenn Ihre Abwesenheit
von zu Hause Anlaß zu Besorgnis gäbe.«
    Grigoriew steckte das Taschentuch
weg. »Sie sind Spione?« flüsterte er. »Sie sind Spione der Westmächte?«
    »Herr Botschaftsrat, es ist besser,
wenn Sie nicht wissen, wer wir sind«, sagte Smiley ernst. »Solches Wissen ist
eine gefährliche Bürde. Erfüllen Sie unsere Forderungen, und Sie werden als
freier Mann von hier fortgehen. Sie haben unser Wort. Weder Ihre Gattin noch
die Moskauer Zentrale - auch sie nicht - sollen jemals etwas erfahren. Bitte
sagen Sie mir, wann die Ihren von Elfenau zurückkommen -« Smiley brach ab.
    Grigoriew setzte, ziemlich
halbherzig und wie um der Form zu genügen, zu einem Ausbruchsversuch an. Er
stand auf und machte einen Satz auf die Tür zu. Paul Skordeno sah für einen harten
Mann ein bißchen phlegmatisch aus, aber er hatte den Flüchtling an der
Krawatte, noch ehe Grigoriew einen zweiten Schritt tun konnte, und führte ihn
behutsam, um keine Druckmale zu hinterlassen, zu seinem Stuhl zurück. Mit einem
weiteren bühnenreifen Ächzen warf Grigoriew verzweifelt die Arme hoch. Das
schwere Gesicht wurde dunkelrot und schmerzverzerrt, die breiten Schultern
dehnten sich noch vor Erregung, und aus seinem Mund quoll ein trostloser
Sturzbach von Selbstanklagen. Er sprach halb russisch, halb deutsch. Er
verfluchte sich mit langsamer und heiliger Inbrunst, und danach verfluchte er
seine Mutter, seine Frau, sein persönliches Pech und seine verhängnisvolle
Schwäche als Vater. Er hätte in Moskau bleiben sollen, im Wirtschaftsministerium.
Er hätte sich niemals von der Alma Mater fortlocken lassen sollen, nur weil
sein törichtes Weib nach ausländischen Kleidern und Musik und Privilegien
gierte. Er hätte sich längst von ihr scheiden lassen sollen, aber er könnte die
Trennung von den Kindern nicht ertragen, ein Narr und ein Clown, der er sei. Er
selber sollte in der geschlossenen Anstalt sitzen, nicht das Mädchen. Als er
damals nach Moskau zitiert wurde, hätte er nein sagen, sich dem Druck
widersetzen und, die ganze Sache nach seiner Rückkehr dem Botschafter melden
sollen.
    »Oh, Grigoriew!« rief er aus. »Oh,
Grigoriew! Du bist so schwach, so schwach!«
    Als nächstes ließ er eine Tirade
gegen die Konspiration vom Stapel. Die Konspiration sei sein Fluch, mehrmals
in seiner Karriere sei er gezwungen gewesen, mit den verhaßten »Nachbarn« bei
irgendeinem blödsinnigen Unternehmen zu kollaborieren, jedesmal habe es mit
einer Katastrophe geendet. Geheimdienstleute seien Verbrecher, Scharlatane und
Narren, eine Clique von Ungeheuern. Warum waren die Russen so sehr in sie
verliebt? Oh, das fatale Unvermögen zur Heuchelei in der russischen Seele!
    »Die Konspiration hat den Glauben
ersetzt!« jammerte Grigoriew den Versammelten auf Deutsch vor. »Sie ist unsere
Ersatzreligion! Und ihre Agenten sind unsere Jesuiten, diese Schweine, sie
machen alles kaputt!«
    Er ballte jetzt die Fäuste und
rammte sie sich in die Wangen, malträtierte sich in Gewissensbissen, bis Smiley
ihn mit einem Wedeln des Notizbuches auf seinen Knien streng wieder zur Sache
brachte: »Betreffs Madame Grigoriewa und Ihrer Kinder, Herr Botschaftsrat«,
sagte er. »Es ist wirklich wichtig, daß wir wissen, um welche Zeit sie daheim
zurückerwartet werden.«
     
    Bei jedem erfolgreichen Verhör - so
pflegt Toby Esterhase an dieser Stelle seiner Schilderung ex cathedra zu erklären - passiert eine einzige kleine Fehlleistung, die nicht wieder
gutzumachen ist; eine einzige Gebärde, schweigend oder beredt oder sogar nur
aus einem angedeuteten Lächeln bestehend oder der Entgegennahme einer
Zigarette, die den Wechsel vom Widerstand zur Zusammenarbeit markiert.
Grigoriew passierte - in Tobys Darstellung der Szene - seine Fehlleistung eben
jetzt. »Sie wird um ein Uhr zu Hause sein«, murmelte er und vermied sowohl
Smileys wie Tobys Blick.
    Smiley sah auf seine Uhr. Zu Tobys
geheimem Entzücken tat Grigoriew es ihm nach.
    »Aber sie könnte sich verspäten«,
wandte Smiley ein.
    »Sie verspätet sich nie«, gab
Grigoriew finster zurück.
    »Dann darf ich Sie bitten, mit der
Schilderung Ihrer Beziehung zu dem Mädchen Ostrakowa zu beginnen«, fuhr Smiley
sofort sein schweres Geschütz auf - sagt Toby - und ließ die

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