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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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ertragen, der sie nicht enthielt, er
sehnte sich nach ihrem bebenden Körper, nach ihrem Lachen, wenn sie ihm
zurief, ihn ihren einzig wahren, ihren besten Liebhaber nannte, sie wollte
keinen anderen, niemals: »Frauen sind gesetzlos, George«, hatte sie einmal in
einem der seltenen Augenblicke gesagt, als sie friedlich nebeneinanderlagen.
»Und was bin ich?« hatte er gefragt, und sie darauf: »Mein Gesetz.« »Und was war
Haydon?« hatte er gefragt. Und sie lachte und sagte: »Meine Anarchie.«
    Er sah wieder das kleine Foto vor
sich, das, wie der kleine Fremde selbst, in seine schwindende Erinnerung
geprägt war. Ein kleiner Mann, mit einem großen Schatten. Er erinnerte sich an
Willems Beschreibung von der kleinen Gestalt auf dem Boot in Hamburg, die wie
Hörner aufgezwirbelten Haarbüschel, das zerfurchte Gesicht, die mahnenden
Augen. General, dachte er chaotisch, könnten Sie mir nicht Ihren
Freund, den Magier, nochmals schicken?
    Vielleicht. Alles ist vielleicht.
    Hamburg, dachte er, kletterte
schnell aus dem Bett und zog seinen Morgenrock an. Er setzte sich wieder an
Anns Schreibtisch und machte sich ernsthaft an die Prüfung der Liste von Wladimirs
Anrufen, die ein Postbeamter in gestochener Schrift aufgestellt hatte. Er nahm
ein Blatt Papier und warf Notizen darauf. Faktum: Anfang September erhält
Wladimir den Brief aus Paris und räumt ihn Mikhel aus den Klauen.
    Faktum: Etwa um dieselbe Zeit
tätigt Wladimir ganz ungewöhnlicherweise einen kostspieligen Fernruf nach
Hamburg, handvermittelt, vermutlich, damit er später die Gebühren zurückbekommen
kann.
    Faktum: Nochmals drei Tage danach,
am achten, nimmt Wladimir ein R-Gespräch aus Hamburg entgegen, Gebühr zwei
Pfund achtzig. Anrufer, Dauer und Uhrzeit sind aufgeführt, und der Anrufer hat
dieselbe Nummer, mit der Wladimir vor drei Tagen telefoniert hatte.
    Hamburg, dachte Smiley wieder, und
seine Gedanken schweiften zu dem Knirps auf dem Foto. Die R-Gespräche waren mit
Unterbrechungen bis vor drei Tagen weitergegangen, neun Anrufe zu insgesamt
einundzwanzig Pfund, alle aus Hamburg an Wladimir. Aber wer hatte ihn
angerufen? Aus Hamburg? Wer?
    Plötzlich fiel es ihm ein.
    Die hochaufragende Gestalt in dem
Hotelzimmer, der große Schatten des kleinen Mannes, war Wladimir selbst
gewesen. Er sah sie nebeneinander stehen, beide in schwarzen Mänteln, der Riese
und der Zwerg.
    Das verlotterte Hotel mit
Musikberieselung und Karotapete lag am Flughafen Heathrow, wohin die beiden so
ungleichen Männer zu einer Unterredung geflogen waren, genau in dem Augenblick,
als Smileys berufliche Identität in Trümmer ging. Max, wir brauchen Sie.
Max, geben Sie uns eine Chance.
    Smiley hob ab und wählte die Nummer
in Hamburg. Am anderen Ende sagte eine männliche Stimme leise »Ja?« und ließ
eine Pause folgen.
    »Könnte ich«, sagte Smiley und
wählte auf gut Glück einen Namen, »könnte ich bitte Herrn Dieter Fassbender
sprechen?« Deutsch war Smileys zweite Sprache und manchmal seine erste. »Hier
gibt es keinen Fassbender« sagte dieselbe Stimme kühl nach einer kleinen Pause,
als habe der Sprecher sich bei jemandem erkundigt. Smiley konnte leise Musik
im Hintergrund hören.
    »Hier ist Leber«, beharrte Smiley.
»Ich muß dringend Herrn Fassbender sprechen. Ich bin sein Partner.«
    Wieder längere Zeit nichts.
    »Bedaure«, sagte der Mann nach
einer weiteren Pause kurz angebunden - und legte auf.
    Kein Privathaus, dachte Smiley, der
hastig seine Eindrücke zu Papier brachte. - Der Sprecher hatte die Wahl
zwischen zu vielen Möglichkeiten. Keine Behörde, denn welche Behörde spielt
leise Hintergrundmusik und ist um Mitternacht an einem Samstag geöffnet? Ein
Hotel? Möglich, aber ein einigermaßen großes Hotel hätte ihn mit dem Empfang
verbunden und ein Minimum von Höflichkeit an den Tag gelegt. Ein Restaurant? Zu
verstohlen, zu sehr auf der Hut - und zudem hätten sie sich sicher mit Namen
gemeldet.
    Die Teile nicht gewaltsam
zusammenfügen, mahnte er sich. Einspeichern. Geduld. Aber wie soll man
geduldig sein, wenn man so wenig Zeit hat?
    Er ging wieder ins Bett, öffnete
eine Nummer von Cobbetts Ru ral Rides und versuchte darin zu lesen,
während er müßig über so gewichtige Dinge nachdachte, wie über seinen
Bürgersinn und wieviel oder wie wenig davon er Oliver Lacon schuldete: >Ihre Pflicht, George.< Doch wer könnte ernsthaft Lacons Mann sein? Wer
könnte Lacons schwache Argumente als Hinweise für das nehmen, was des Kaisers
ist?
    »Emigranten

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