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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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einen
ehemaligen agent provocateur namens Kursky identifiziert, der als
Student an der Technischen Hochschule in Reval eine Vereinigung
regimekritischer estnischer Hafenarbeiter gegründet habe, genannt »Blockfreier
Diskussionsclub«, und die Mitglieder dann an die Geheimpolizei verpfiff.
Wladimirs Quelle war einer dieser unglücklichen Dockarbeiter, der sich zur Zeit
in Paris aufhielt und der einst um seiner Sünden willen besonders eng mit
Kursky befreundet gewesen war, bis er prompt von ihm verraten wurde.
    So weit, so gut, nur, daß Wladis
Quelle - sagte Connie - kein anderer gewesen sei, als unser gottvergessener
kleiner Otto, was bedeutete, daß die Sache von Anfang an verkorkst war.
    Während Connie weitersprach,
begannen Smileys Erinnerungen aufs neue, die ihren zu ergänzen. Er sah sich in
den letzten Monaten seiner kommissarischen Amtsführung als Chef des Circus,
wie er müde die wackelige Holztreppe von der fünften Etage zur Montagsbesprechung
hinunterklomm, ein Bündel zerlesener Akten unter den Arm geklemmt. Der Circus
hatte in jenen Tagen einem zerbombten Bauwerk geglichen, erinnerte er sich;
das Personal in alle Winde zerstreut, der Etat an allen Enden beschnitten, die
Agenten hochgegangen oder tot oder abgeschaltet. Bill Haydons Entlarvung war in
allen Gemütern eine offene Wunde: Sie nannten sie den Sündenfall und empfanden
alle die gleiche uralte Scham. Im Innersten machten sie vielleicht sogar Smiley
dafür verantwortlich, denn Smiley hatte Bills Verrat aufgedeckt. Er sah sich
selber, wie er den Vorsitz bei der Besprechung führte, und den Kreis
feindseliger Gesichter, der sich um ihn geschlossen hatte, während die Fälle
der Woche einer um den anderen zur Debatte gestellt und den üblichen Fragen
unterworfen wurden: Wollen wir diesen weiter verfolgen oder nicht? Sagen wir,
noch eine Woche lang? Noch einen Monat? Noch ein Jahr? Ist es nur eine Finte,
können wir uns notfalls distanzieren, liegt es im Rahmen unseres Auftrags?
Welche Mittel sind nötig, und würden sie besser anderweitig eingesetzt? Wer
wird verantwortlich zeichnen? Wer soll informiert werden? Wieviel wird es
kosten? Er entsann sich des stürmischen Protests, den der bloße Name oder
Arbeitsname Otto Leipzig bei solch fragwürdigen Richtern wie Lauder Strickland,
Sam Collins und ihresgleichen sofort auslöste. Er versuchte sich zu erinnern,
wer außer Connie und ihren Kohorten aus der Rußland-Abteilung noch dabei gewesen
war. Der Chef der Finanzabteilung, der Chef des Ressorts Westeuropa, der Chef
von Sowjet Attack, die meisten bereits Saul Enderbys Leute.
    Und Enderby selber, damals nominell
noch im Auswärtigen Dienst und von seiner eigenen Palastwache in der Maske des
Verbindungsmanns zu Whitehall eingeschleust. Doch schon war sein Lächeln ihr
Lachen, sein Stirnrunzeln ihre Ablehnung. Smiley sah sich wieder als Zeuge der
Kapitulation - Connies Kapitulation -, die sie nun noch einmal schilderte,
zusammen mit den Ergebnissen ihrer vorangegangenen Recherchen.
    Ottos Geschichte sei schlüssig, hatte
sie behauptet. Bisher habe man keine Unstimmigkeiten gefunden. Sie hatte ihre
Ergebnisse vorgewiesen:
    Ihre eigene Rußland-Abteilung habe
in gedruckten Quellen die Bestätigung gefunden, daß ein Jura-Student Oleg
Kursky während der entscheidenden Zeitspanne an der Universität von Riga
gewesen sei, sagte sie.
    Unterlagen des Foreign Office aus
dieser Zeit sprächen von Unruhen in den Docks.
    Ein bei den amerikanischen Vettern
vorhandener Überläufer-Bericht nenne einen gewissen Kursky oder Karsky, Anwalt,
Vorname Oleg, der 1971 einen Ausbildungskursus der Moskauer Zentrale in Kiew
absolviert habe.
    Dieselbe, allerdings suspekte
Quelle sei der Meinung, Kursky habe später auf Anraten seiner Vorgesetzten
seinen Namen geändert, »aufgrund seiner bereits gesammelten Erfahrungen als
Außenagent«.
    Den, wenn auch notorisch
unzuverlässigen, routinemäßig ausgetauschten französischen Berichten sei zu
entnehmen, daß Kirow in der Tat für einen Zweiten Sekretär der
Handelsabteilung in Paris ungewöhnliche Freiheiten genieße: Er gehe zum
Beispiel allein einkaufen und besuche Empfänge der Dritten Welt ohne die
übliche fünfzehnköpfige Begleitmannschaft.
    Kurzum, dies alles - so hatte
Connie viel zu energisch für den Geschmack der fünften Etage geendet -, dies alles
bestätige Leipzigs Geschichte und den Verdacht, daß Kirow mit geheimdienstlichen
Aufgaben betraut sei. Dann klatschte sie die Akte auf den Tisch und ließ

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