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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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»Komm nur, Fred«, sagte er laut, »höre
dich gut.«
    »Er hat's
geschafft!« zischte Leclerc. »Jetzt ist er dran am Ziel.« Seine Augen
leuchteten vor Begeisterung. »Hören Sie, John? Hören Sie das?«
    »Wollen
wir nicht still sein?« schlug Haldane vor. »Da kommt er schon«, sagte Johnson.
Seine Stimme war ruhig und beherrscht. »Zweiundvierzig Gruppen.«
    »Zweiundvierzig!«
wiederholte Leclerc. Johnsons Körper war bewegungslos. Sein Kopf war ein wenig
zur Seite geneigt, seine ganze Konzentration galt den Kopfhörern. Sein Gesicht
war in dem bleichen Licht der Skalenbeleuchtung ohne jeden Ausdruck.
    »Ich bitte um Ruhe, jetzt.«
    Ungefähr
zwei Minuten lang huschte seine geschickte Hand über den Block. Ab und zu
murmelte er unhörbar, flüsterte einen Buchstaben oder schüttelte den Kopf, bis
die Morsezeichen langsamer zu kommen schienen und sein Bleistift - während er
lauschend wartete - zwischen den einzelnen Zeichen stillhielt, bis er jeden
einzelnen Buchstaben mit quälender Sorgfalt aufs Papier malte. Er warf einen
schnellen Blick auf seine Uhr.
    »Los,
Fred«, drängte er, »los, geh auf die andere Frequenz. Das sind schon fast drei
Minuten.« Aber die Meldung tröpfelte weiter, Buchstabe für Buchstabe, und
Johnsons einfaches Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.
    »Was ist
los?« fragte Leclerc. »Warum hat er die Frequenz nicht gewechselt?«
    Aber
Johnson sagte nur: »Schalt ab, Fred, um Himmels willen, schalt ab!«
    Leclerc
klopfte ihm ungeduldig auf den Arm. Johnson hob eine der Muscheln vom Ohr.
    »Warum hat
er die Frequenz nicht gewechselt? Warum spricht er noch immer?«
    »Er muß es
vergessen haben! Im Training hat er's nie vergessen. Ich weiß ja, daß er
langsam ist, aber guter Gott!« Er schrieb noch immer automatisch mit. »Fünf
Minuten«, murmelte er. »Fünf beschissene Minuten. Tausch endlich den
beschissenen Kristall aus.«
    »Können
Sie es ihm nicht sagen?« rief Leclerc. »Natürlich kann ich nicht! Wie soll ich
das? Er kann doch nicht gleichzeitig empfangen und senden!« Sie saßen oder
standen wie hypnotisiert herum. Johnson, der sich zu ihnen umgewandt hatte,
sagte flehentlich: »Ich hab's ihm gesagt! Ich hab's ihm nicht einmal, ich
hab's ihm Dutzende Male gesagt. Es ist der reinste Selbstmord, was er da
macht!« Er sah auf seine Uhr. »Jetzt sendet er schon fast an die sechs Minuten.
Verdammter, verdammter, verdammter Narr!«
    »Was werden sie tun?« fragte
Haldane. »Wenn sie die Sendung auffangen? - Eine zweite Abhörstation anrufen,
ihn anpeilen, der Rest ist einfachste Trigonometrie, wenn jemand so lange am
Äther bleibt.« Er schlug mit der flachen Hand hilflos auf den Tisch und zeigte auf
das Gerät, als sei es eine Beleidigung. »Ein Kind kann das erledigen. Mit
nichts als zwei Kompassen. Großer Gott! Wach auf, Fred, um Gottes willen, wach
endlich auf!« Er schrieb noch eine Handvoll Buchstaben auf, und warf dann den
Bleistift hin. »Es ist sowieso auf Band«, sagte er. Leclerc wandte sich an
Haldane. »Sicher gibt's doch etwas, was wir unternehmen könnten«, sagte er.
»Sei still«, sagte Haldane.
    Die
Meldung brach ab. Johnson klopfte die Bestätigung, schnell und haßerfüllt. Er
spulte das Tonband zurück und begann die Morsezeichen zu übertragen. Nachdem er
die Kode-Tabelle vor sich hingelegt hatte, arbeitete er rund eine Viertelstunde
ohne Unterbrechung. Gelegentlich warf er einfache Additionen auf das
Schmierblatt neben seinem Arm. Niemand sprach. Als er fertig war, stand er in
einer fast schon vergessenen Geste des Respekts vor Leclerc auf. »Meldung
lautet: Gebiet Kalkstadt Mitte November drei Tage gesperrt, als fünfzig nicht
identifizierte Sowjetsoldaten in der Stadt waren. Ohne Spezialausrüstung.
Gerüchte von Sowjetmanövern im Norden. Einheit angeblich nach Rostock verlegt.
Pritsche in Kalkstadt Bahnhof nicht wiederhole nicht bekannt. Keine Sperren
auf Straße nach Kalkstadt.« Er warf das Blatt auf den Tisch. »Danach kommen
noch fünfzehn Gruppen, die ich nicht entziffern kann. Wahrscheinlich hat er
seinen Kode durcheinandergebracht.« Der Unteroffizier der Volkspolizei in
Rostock nahm den Telefonhörer auf. Er war ein älterer Mann mit grau werdendem
Haar und gedankenvollem Gesicht. Er lauschte einige Zeit der aus dem Hörer
dringenden Stimme und begann dann, auf einem anderen Apparat eine Nummer zu
wählen. »Das muß ein Kind sein«, sagte er, während er die Wählscheibe drehte.
»Was für eine Frequenz, sagten Sie?« Er hob den zweiten

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