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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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sollte, wird man es vor allem
auf die Aktentasche abgesehen haben. Das ist ganz natürlich. Wenn Sie sich der
Aktentasche einfach irgendwo entledigen, wird man vielleicht nach ihr, statt
nach Ihnen suchen. Ich halte die Finnen für keine sehr komplizierten Menschen.
Das ist natürlich nur ein Schulungshinweis. Aber ich mache mir keine Sorgen.
Ich habe immer das Gefühl, daß es ein Fehler ist, sich auf die Technik zu
verlassen.« Er begleitete Avery an die Tür und ging dann nachdenklich den
Korridor hinunter zum Zimmer von Control. Während Avery die Treppen zu seiner
Wohnung hinaufstieg, überlegte er, wie Sarah reagieren würde. Jetzt tat es ihm
leid, daß er nicht doch telefoniert hatte, denn er haßte es, sie in der Küche
zu überraschen, während Anthonys Spielsachen über den Wohnzimmerteppich
verstreut waren. Es war niemals gut, ohne Anmeldung nach Hause zu kommen. Sie
schien zu erwarten, daß er etwas Schreckliches getan hatte, so sehr erschrak
sie. Er hatte nie einen Schlüssel bei sich, denn Sarah war immer zu Hause.
Soviel er wußte, hatte sie keine eigenen Freunde; sie ging niemals zu
Kaffeekränzchen oder fuhr allein zu Einkäufen in die Stadt. Sie schien
keinerlei Talent dazu zu haben, sich selbst ein Vergnügen zu gönnen. Er läutete
und hörte, wie Anthony >Mami, Mami< rief, und horchte auf ihren Schritt.
Die Küche war am anderen Ende des Ganges, aber diesmal kam sie aus dem
Schlafzimmer, so leise, als sei sie barfuß. Sie öffnete die Tür, ohne ihn
anzusehen. Sie trug ein Baumwollnachthemd und eine Strickjacke. »Du hast dir
ganz schön Zeit gelassen«, sagte sie, drehte sich um und ging unsicher in das
Schlafzimmer zurück. »Irgendwas nicht in Ordnung?« fragte sie über die
Schulter. »Ist noch jemand umgebracht worden?«
    »Was ist
los, Sarah? Fühlst du dich nicht wohl?« Anthony tobte herum, weil sein Vater
nach Hause gekommen war. Sarah kletterte ins Bett zurück. »Ich habe den Arzt
angerufen. Ich weiß nicht, was es ist«, sagte sie, als sei Krankheit nicht ihr
Fach. »Hast du Fieber?«
    Sie hatte
eine Schüssel mit kaltem Wasser und den Waschlappen aus dem Badezimmer neben
das Bett geholt. Er drückte den Waschlappen aus und legte ihn auf ihre Stirn.
»Du wirst dich hier nützlich machen müssen«, sagte sie. »Ich fürchte nur, daß
es nicht so aufregend ist wie Spionage. Willst du mich nicht fragen, was mir
fehlt?«
    »Wann
kommt der Arzt?«
    »Er hat
bis zwölf Ordination. Danach wird er kommen, nehme ich an.« Er ging in die
Küche, wobei Anthony ihm folgte. Das Frühstücksgeschirr stand noch auf dem
Tisch. Er rief ihre Mutter in Reigate an und bat sie, sofort herzukommen.
    Kurz vor
eins kam der Arzt. Ein Fieber, sagte er, irgendein Virus.
    Avery
hatte erwartet, daß sie bei der Mitteilung von seiner Reise weinen würde. Sie
nahm es zur Kenntnis, überlegte eine Weile und schlug ihm dann vor, packen zu
gehen.
    »Ist es wichtig?« fragte sie
plötzlich. »Natürlich. Sehr wichtig.«
    »Für wen?«
    »Für dich,
für mich. Für uns alle, nehme ich an.«
    »Auch für
Leclerc?«
    »Ich habe
dir gesagt: für uns alle.«
    Er
versprach Anthony, ihm etwas mitzubringen.
    »Wohin
fährst du?« fragte Anthony.
    »Mit dem
Flugzeug.«
    »Wohin?«
    Er wollte ihm gerade sagen, daß
das ein großes Geheimnis sei, als ihm Taylors kleine Tochter einfiel. Er küßte
Sarah, trug seinen Koffer in das Vorzimmer und stellte ihn auf den Läufer.
Sarah zuliebe waren an der Tür zwei Schlösser angebracht, die man gleichzeitig
aufschließen mußte. Er hörte sie sagen: »Ist es auch gefährlich?«
    »Ich weiß
nicht. Ich weiß nur, daß es äußerst wichtig ist.«
    »Du bist
davon wirklich überzeugt, nicht wahr?« Fast verzweifelt rief er: »Schau, wie
weit voraus soll ich denn denken? Das ist keine Frage der Politik, sondern
eine Frage der Tatsachen, verstehst du das nicht? Kannst du mir denn nicht
glauben? Kannst du mir nicht einmal im Leben sagen, daß ich etwas Nützliches
tue?« Er ging zurück ins Schlafzimmer. Sarah hielt sich ein Taschenbuch vor das
Gesicht und tat so, als ob sie lese. »Du weißt ganz genau, daß wir alle dort
unser Leben abschirmen müssen. Es hat doch keinen Sinn, mich dauernd zu fragen:
>Bist du überzeugt?< Es ist genauso, als fragtest du mich immer wieder,
ob wir wirklich Kinder haben sollten, ob wir hätten heiraten sollen. Das hat
einfach keinen Sinn.«
    »Armer
John«, bemerkte sie, legte ihr Buch nieder und sah ihn forschend an. »Loyalität
ohne Glauben. Es ist sehr

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