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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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schwer für dich.« Sie sagte das völlig leidenschaftslos,
als habe sie ein Übel in der Gesellschaftsstruktur erkannt. Ihr Kuß war wie
ein Verrat ihrer eigenen Grundsätze.
    Haldane wartete, bis der letzte
aus dem Zimmer gegangen war. Er selbst war später gekommen und er würde später
gehen - immer anders als die anderen. Leclerc sagte: »Warum tust du mir das
an?« Er sprach wie ein von seinem Auftritt ermüdeter Schauspieler. Die Landkarten
und Fotografien lagen noch immer zwischen den leeren Tassen und Aschenbechern
verstreut auf dem Tisch. Haldane gab keine Antwort. »Was versuchst du zu
beweisen, Adrian?«
    »Was hast du da von einem Mann
gesagt, den du hineinschicken willst?«
    Leclerc
ging zum Waschbecken und ließ Wasser in ein Glas laufen.
    »Du magst Avery nicht, nicht
wahr?« fragte er. »Er ist jung - von diesem Kult habe ich genug.«
    »Ich werde heiser, wenn ich die
ganze Zeit rede«, sagte Leclerc. »Trink du auch eines. Wird deinem Husten
guttun.«
    »Wie alt
ist Gorton?« Haldane nahm das Glas, trank und gab es zurück.
    »Fünfzig.«
    »Mehr. Er
ist in unserem Alter. Er war während des Krieges in unserem Alter.«
    »Man
vergißt. Ja, er muß fünf- oder sechsundfünfzig Jahre sein.«
    »Ein >StändigerHaldane. Leclerc schüttelte den Kopf. »Er erfüllt die Voraussetzungen nicht«,
sagte er. »Unterbrochene Dienstzeit. Nach dem Krieg ging er zur
Kontrollkommission. Als sie zusperrte, wollte er in Deutschland bleiben. Hat
eine deutsche Frau, glaube ich. Er kam zu uns, und wir gaben ihm einen Vertrag.
Wir könnten es uns niemals leisten, ihn dort zu behalten, wenn er ein >Ständiger<
wäre.« Geziert wie ein Mädchen trank er einen Schluck Wasser. »Vor zehn Jahren
hatten wir fünfzig Mann im Einsatz. Jetzt haben wir neun. Wir haben nicht
einmal unsere eigenen Kuriere, keine Geheimkuriere. Das haben heute morgen
schon alle gewußt. Warum hat keiner etwas gesagt?«
    »Wie oft übermittelt er
Flüchtlingsberichte?« Leclerc zuckte mit den Schultern. »Ich sehe nicht alles,
was er uns schickt«, sagte er. »Deine Leute müßten es wissen. Der Markt wird
schwächer, stell ich mir vor, seit sie in Berlin die Mauer gebaut haben.«
    »Mir legen sie nur die besseren
Berichte vor. Aus Hamburg muß das der erste gewesen sein, den ich seit einem
Jahr gesehen habe. Ich war stets der Meinung, er hätte andere Aufgaben.«
Leclerc schüttelte den Kopf.
    »Wann wird
die Erneuerung seines Vertrages fällig?« fragte Haldane.
    »Ich weiß nicht. Ich weiß es
einfach nicht.«
    »Ich nehme an, er macht sich
ziemliche Sorgen. Bekommt er eine Abfindung, wenn er ausscheidet?«
    »Er hat nur einen
Drei-Jahres-Vertrag. Da gibt's keine Abfindung, keine Orden. Er hat natürlich
die Möglichkeit, auch nach dem sechzigsten Lebensjahr noch weiterzuarbeiten,
falls wir ihn wollen. Das ist der Vorteil, Vertragsangestellter zu sein.«
    »Wann wurde sein Vertrag das
letztemal erneuert?«
    »Da fragst du am besten Carol. Es
muß zwei Jahre her sein, vielleicht länger.«
    Wieder
sagte Haldane: »Du sprichst davon, einen Mann hineinzuschicken?«
    »Ich bin heute nachmittag noch
einmal beim Minister.«
    »Du hast
schon Avery geschickt. Das hättest du nicht machen sollen, weißt du.«
    »Irgend jemand mußte fahren. Hätte
ich nach deiner Meinung das Rondell um jemanden bitten sollen?«
    »Avery war ziemlich unverschämt«,
bemerkte Haldane.
    Der Regen floß in die Dachrinne
und hinterließ auf den schmutzigen Fensterscheiben graue Spuren. Leclerc schien
das Sprechen Haldane überlassen zu wollen, aber Haldane hatte nichts zu sagen.
»Ich weiß noch nicht, was der Minister über Taylors Tod denkt. Er wird mich
heute nachmittag fragen, und ich werde ihm meine Ansicht darlegen. Wir tappen
natürlich alle im dunkeln.« Seine Stimme gewann wieder an Stärke. »Aber er
könnte mich vielleicht anweisen - das ist durchaus drin, Adrian -, er könnte
mir den Befehl geben, einen Mann hineinzuschicken.«
    »Und?«
    »Angenommen, ich würde dich
bitten, eine Einsatzabteilung aufzubauen, die Voruntersuchungen zu machen,
Papiere und Ausrüstung vorzubereiten - angenommen, ich würde dich bitten,
einen Agenten anzuwerben, ihn auszubilden und seinen Einsatz zu leiten -
würdest du es tun?«
    »Ohne dem Rondell etwas zu sagen?«
    »Keine Einzelheiten. Vielleicht
werden wir hin und wieder von ihren Einrichtungen Gebrauch machen müssen. Das
heißt aber nicht, daß wir ihnen die ganze Geschichte erzählen müssen. Das ist
eine Frage der

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