Carre, John le
Film
aufbewahrt? Wie hat er die Aufnahmen wirklich gemacht? Wieso ist kein einziges
Bild verwackelt? Er hatte getrunken, er balancierte auf den Zehenspitzen: die
Belichtungszeiten waren lang genug, um ein Bild zu verwackeln, nein? Sagte er
nicht, er hätte den Verschluß nach Gefühl offengehalten?«
Haldane
schien sich zu fürchten, aber nicht vor Leclerc, nicht vor dem Einsatz, sondern
vor sich selbst. »Warum hat er Gorton etwas umsonst gegeben, das er anderswo zu
verkaufen suchte? Warum hat er überhaupt sein Leben riskiert, um diese
Aufnahmen zu machen? Ich schickte Gorton eine Liste zusätzlicher Fragen. Er
versucht noch immer, diesen Mann zu finden, wie er sagt.«
Sein Blick
schweifte zu dem Flugzeugmodell und den Akten auf Leclercs Schreibtisch. Dann
fuhr er fort: »Du denkst an Peenemünde, nicht wahr? Du möchtest, daß es wie in
Peenemünde ist.«
»Du hast
mir noch immer nicht gesagt, was du tun wirst, wenn ich diesen Befehl bekomme.«
»Den wirst
du nie bekommen. Niemals, niemals wirst du ihn bekommen.« Er sprach mit großer
Entschiedenheit, fast mit Triumph. »Wir werden eingeschläfert, siehst du das
nicht ein? Du selbst hast es gesagt. Sie wollen, daß wir schlafen gehen, nicht
in den Krieg.« Er stand auf. »Deshalb ist alles ganz gleichgültig. Es ist
schließlich eine rein akademische Angelegenheit. Oder kannst du dir wirklich
vorstellen, daß uns Control unterstützt?«
»Sie sind
bereit, uns einen Kurier zu stellen.«
»Ja. Ich
finde das höchst seltsam.«
Haldane
blieb an der Tür vor einer Fotografie stehen.
»Das ist
Malherbe, nicht wahr? Der Junge, der fiel.
Warum hast
du diesen Namen gewählt?«
»Ich weiß
nicht. Er ist mir einfach eingefallen. Das Gedächtnis spielt einem oft komische
Streiche.«
»Du
hättest Avery nicht schicken sollen. Bei unserer Arbeit verwendet man nicht
einen Schreibtischmann für einen Auftrag wie diesen.«
»Ich habe in der letzten Nacht die
Kartei durchgesehen. Wir haben einen Mann, der dazu geeignet wäre«, sagte
Leclerc. Und dann nachdrücklich: »Gelernter Funker, spricht Deutsch, ledig.«
Haldane erstarrte. Schließlich fragte er: »Wie alt?«
»Vierzig. Etwas darüber.«
»Er muß damals sehr jung gewesen
sein.«
»Er hat seine Sache gut gemacht.
Sie hatten ihn in Holland geschnappt, und er ist ihnen entkommen.«
»Wie wurde er geschnappt?«
Leclerc
zögerte eine Sekunde, ehe er antwortete:
»Das ist
nicht verzeichnet.«
»Intelligent?«
»Er scheint befähigt zu sein.«
Wieder Stillschweigen.
»Das bin
ich auch. Warten wir ab, was Avery zurückbringt.«
»Warten
wir ab, was das Ministerium sagt.« Leclerc wartete, bis das letzte Geräusch von
Haldanes Husten auf dem Gang verhallt war, ehe er seinen Mantel anzog. Er
würde einen Spaziergang machen, etwas frische Luft schnappen und in seinem
Klub zu Mittag essen. Das Beste, was es geben würde. Er fragte sich, was es
sein werde. In den letzten Jahren war es dort sehr viel schlechter geworden.
Nach dem Essen würde er zu Taylors Witwe gehen. Dann ins Ministerium.
Während
des Mittagessens im >Gorringe< sagte Woodford zu seiner Frau: »Der junge
Avery macht seinen ersten Einsatz. Clarkie hat ihn geschickt. Er sollte was
draus machen.«
»Vielleicht
wird er auch umgebracht«, sagte sie gehässig. Sie durfte nichts trinken -
Anweisung des Arztes. »Dann könnt ihr ein wirkliches Fest feiern. Himmel, das
war' eine tolle Sache! Auf zum Ball in die Blackfriars Road.« Ihre Unterlippe
zitterte. »Warum sind die Jungen immer so verflucht wunderbar? Wir waren jung,
nicht wahr.? Himmel, wir sind es noch! Was stimmt nicht mit uns? Wir können
nicht darauf warten, alt zu werden, nicht wahr? Wir können nicht -«
»Ist gut,
Babs«, sagte er. Er fürchtete, daß sie weinen könnte.
6. Kapitel
START
Im
Flugzeug erinnerte sich Avery an den Tag, an dem Haldane nicht im Büro
erschien. Es war zufällig der Erste eines Monats - es mußte Juli gewesen sein-,
und Haldane kam nicht zum Dienst. Bis zu Woodfords Anruf über das Haustelefon
hatte Avery nichts davon gewußt. Haldane sei wahrscheinlich krank, hatte Avery
ihm geantwortet, oder er habe irgendeine persönliche Sache erledigen müssen.
Aber Woodford war nicht zu beschwichtigen. Er sei in Leclercs Zimmer gewesen
und habe auf der Urlaubstabelle nachgesehen, sagte er. Haldanes Urlaub sei
erst für den August vorgemerkt.
»Rufen Sie
in seiner Wohnung an, John«, hatte ihn Woodford gedrängt. »Sprechen Sie mit
seiner Frau. Versuchen
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