Carre, John le
immer eine
dunkle Brille. Flog die Strecke Kampong Cham.« Sie schüttelte den Kopf. Nur
Captain Marshall und Captain Ricardo, sagte sie, flogen für Indocharter, aber
Captain Ric sei einem Absturz zum Opfer gefallen. Jerry zeigte, weiter kein
Interesse, stellte aber doch ganz nebenbei fest, daß Captain Marshalls Carvair
am Nachmittag starten würde, wie gestern nacht gemeldet. Es werde aber keine
Fracht mehr mitgenommen, alles sei ausgebucht, Indocharter sei immer voll
ausgelastet. »Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?«
»Captain Marshall fliegt nie am Vormittag, Monsieur.« Er fuhr mit einem
Taxi in die Stadt. Das beste Hotel war eine Wanzenbude in der Hauptstraße. Die
Straße war eng, stinkig und mit ohrenbetäubendem Lärm erfüllt, eine asiatische
Konjunkturstadt im Entstehen, donnernd vom Lärm der Hondas und verstopft von den
frustrierten Mercedes der über Nacht Reichgewordenen. Um seine Legende
aufrechtzuerhalten nahm er ein Zimmer und bezahlte im voraus, nahm auch den special Service, was nichts
Exotischeres bedeutete als frische Laken zum Unterschied von denen, die noch die
Spuren früherer Schläfer trugen. Er wies den Fahrer an, in einer Stunde
wiederzukommen. Aus alter Gewohnheit verschaffte er sich eine überhöhte
Rechnung. Er duschte, zog sich um und hörte höflich zu, während der Hausboy ihm
erklärte, wie man nach der Sperrstunde ins Haus gelangen könne, dann ging er
aus und suchte sich ein Frühstück, denn es war noch immer erst neun Uhr
morgens.
Er trug Schreibmaschine und Schultertasche mit sich. Er sah keine
anderen Rundaugen. Er sah Korbflechter, Häute- und Obsthändler, und wieder
einmal lagen die unvermeidlichen Flaschen mit dem gestohlenen Benzin am
Gehsteig aufgereiht und warteten auf einen Angriff, der sie in die Luft jagen
würde. In einem Spiegel, der in einem Baum hing, sah er zu, wie ein Zahnarzt
einem in einen hohen Stuhl geschnallten Patienten Zähne zog und wie der Zahn
mit der roten Wurzel zu den anderen feierlich an die Schnur gehängt wurde, an
der das Tagessoll aufgefädelt war. Das alles hielt Jerry demonstrativ in seinem
Notizbuch fest, wie es einem gewissenhaften Berichterstatter des Alltagslebens
anstand. Und von einem Straßencafe aus, wo er kaltes Bier und frischen Fisch zu
sich nahm, beobachtete er die schmutzigen, halbverglasten Räume mit der
Aufschrift »Indocharter« jenseits der Straße und wartete, daß jemand kommen und
die Tür aufschließen würde. Niemand kam. Captain Marshall
fliegt nie am Vormittag, Monsieur. In einer
Drogerie, die vor allem Kinderfahrräder feilbot, erstand er eine Rolle
Heftpflaster, und als er wieder in seinem Hotelzimmer war, klebte er sich die
Walther an die Rippen, damit sie nicht in seinem Hosenbund herumrutschte. Also
ausgerüstet machte sich der furchtlose Journalist auf, um ein weiteres Stück
seiner Legende zu leben - was zuweilen, in der Psychologie eines Außenagenten,
nichts weiter ist als ein acte gratuit der Selbstbestätigung, wenn es anfängt, brenzlig zu werden. Der
Wohnsitz des Gouverneurs lag am Stadtrand, hinter einer Veranda und einem
Portal im französischen Kolonialstil. Ihm unterstand ein siebzigköpfiges
Sekretariat. Die weite Zementhalle führte in einen nicht zu Ende gebauten
Warteraum und dahinter zu bedeutend kleineren Büros. In eines davon wurde Jerry
nach fünfzig Minuten Wartezeit eingelassen und sah sich einem, winzigen, sehr
vorgesetzt wirkenden Kambodschaner im schwarzen Anzug gegenüber, der von Phnom
Penh hierhergeschickt worden war, um lästige Korrespondenten abzufertigen. Es
hieß, er sei der Sohn eines Generals und manage den Battambang-Abschnitt des
Opiumhandels seiner Familie. Der Schreibtisch war viel zu groß für ihn. Mehrere
Hofchargen lungerten herum und sahen sämtlich sehr ernst aus. Einer trug
Uniform und eine Menge Ordensbänder. Jerry fragte nach eingehenden
Hintergrundinformationen und stellte eine Liste mehrerer reizender Träume auf:
daß der kommunistische Feind so gut wie geschlagen sei; daß die Wiedereröffnung
des gesamten nationalen Verkehrsnetzes ernsthaft diskutiert werde; daß der
Tourismus die Wachstumsindustrie der Provinz sei. Der Sohn des Generals sprach
ein langsames, wunderschönes Französisch und hörte sich offensichtlich mit
größtem Genuß reden, denn beim Sprechen hielt er die Augen geschlossen und
lächelte, als lausche er seiner Lieblingsmelodie. »Ich darf zum Abschluß,
Monsieur, ein warnendes Wort anfügen, das Ihrem Land gilt. Sind Sie
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