Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
Majestät
beauftragt, über High Haven zu disponieren. Im
Klartext: die Bude zu verscheuern. Loslassen, polnischer Saukerl, ich bring
dich um!« Der Zwerg hatte ihn vom Tisch gestoßen. Nur ein hurtiger Luftsprung
bewahrte Luke vor Schaden. Vom Fußboden aus brüllte er weitere Beschimpfungen
gegen seinen Angreifer. Inzwischen hatte Craw seinen großen Kopf Luke
zugewendet, die feuchten Augen hefteten sich böse glotzend auf ihn, schienen
ihn nie mehr loslassen zu wollen. Luke fragte sich, gegen welches von Craws
zahlreichen Gesetzen er verstoßen haben mochte. Unter seinen verschiedenen
Verkleidungen war Craw ein komplizierter und einsamer Mensch, wie die ganze
Tischrunde wußte. Die absichtliche Ruppigkeit verdeckte eine Liebe zum Fernen
Osten, die ihn zuweilen bis zur Unerträglichkeit zu packen schien, so daß er
monatelang von der Bildfläche verschwinden konnte und wie ein gereizter Elefant
auf seinen eigenen Pfaden stapfte, bis er sich diesem Leben wieder gewachsen
fühlte.
    »Bitte
nicht zu faseln, Ehrwürden, wenn's beliebt«, sagte Craw schließlich und warf
den großen Kopf gebieterisch in den Nacken. »Kein dreckiges Gewäsch in die
bekömmlichen Gewässer spucken, wenn's gefällig ist, Herr Baron. High Haven ist
das >Spukhaus<, schon seit Jahren, die Residentur. Bau des luchsäugigen
Major Tufty Thesinger, ehedem bei Her Majesty's Rifles, jetzt der Lestrade des
Yard in Hongkong. Tufty würde sich nie aus dem Staub machen. Er ist ein
>Spuk<, kein Waschlappen. Gebt meinem Sohn zu trinken, Monsignore« - dies
zu dem chinesischen Barmann -, »er redet irre.«
    Craw gab
einen weiteren Feuerbefehl, und der Club wandte sich wieder seinen intellektuellen
Exerzitien zu. Lukes großartige Erstmeldung in Sachen Spionage war für die
Kollegen kein Novum. Er genoß seit langem einen Ruf als verhinderter
Spitzeljäger, und seine Hinweise waren unweigerlich haltlos. Seit Vietnam sah
dieser Dämlack Spione unter jedem Teppich. Er war überzeugt, daß sie die Welt
regierten, und einen Großteil seiner freien Zeit trieb er sich, falls er
nüchtern war, in der Umgebung der zahlreichen Heere kaum getarnter
China-Beobachter und noch üblerer Gestalten herum, die das riesige
amerikanische Konsulat auf dem Hügel heimsuchten. An einem weniger
ereignislosen Tag hätte die Sache folglich damit ihr Bewenden gehabt: So jedoch
sah der Zwerg eine Gelegenheit zur Kurzweil, und ergriff sie.
    »Sag mal,
Luide«, begann er und drehte dabei die ausgestreckten Handflächen nach oben,
»steht High Haven, mit kompletter Einrichtung zum
Verkauf oder nur wie besichtigt?«
    Die Frage
wurde mit Applaus belohnt. War High Haven wertvoller mit seinen Geheimnissen
oder ohne sie?
    »Steht es mit Major
Thesinger zum Verkauf?« hakte der südafrikanische Fotograf in seinem humorlosen
Singsang ein, und wiederum lachten alle, wenn auch nicht mehr so herzhaft. Der Fotograf
war eine gespenstische, klapperdürre Gestalt mit Bürstenhaarschnitt, und sein
Gesicht war so zerpflügt wie die Schlachtfelder, auf denen er herumgeisterte.
Er kam aus Kapstadt, aber sie nannten ihn Deathwish den Hunnen. Sie sagten, er
würde sie noch alle begraben, denn er stelzte immer hinter ihnen her wie ein
Klageweib.
    Ein paar
vergnügliche Minuten lang ging Lukes Eröffnung völlig unter in einer Flut von
Thesinger-Stories und Thesinger-Imitationen, an denen sich alle außer Craw
beteiligten. Man erinnerte sich, daß der Major ursprünglich als Importkaufmann
in der Kolonie aufgetaucht war, drunten in den Docks mit irgendeiner albernen
Legende; nach einem halben Jahr erschien er völlig übergangslos auf der
Beamtenliste und übersiedelte komplett mit seinem Personal blasser Schreiber
und teigiger, wohlerzogener Sekretärinnen in besagtes Spukhaus, um dort irgend
jemandes Nachfolge anzutreten. Besonders seine Tete-á-tete-Lunches wurden
geschildert, zu denen, wie sich jetzt herausstellte, fast jeder der anwesenden
Journalisten irgendwann einmal eingeladen war, und die mit spitzfindigen
Vorschlägen beim Cognac endeten, einschließlich so wunderschöner Formulierungen
wie: »Hören Sie, alter Junge, falls Ihnen jemals ein interessanter Chinaman vom
anderen Flußufer vor die Büchse kommen sollte - einer mit Zugang, Sie
verstehen? -, dann denken Sie an High Haven!« Dann die magische Telefonnummer,
die »direkt auf meinem Schreibtisch anklingelt, keine Zwischenstation, keine
Tonbänder, nichts, ja?« - die ein gutes halbes Dutzend von ihnen in ihren
Notizbüchern stehen hatte:

Weitere Kostenlose Bücher