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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vor Lachen und erzählte es mir. Aber sie kriegten sie am
Ende, wie? Sie rächten sich!«
    Smiley
nickte langsam, seine Augen jetzt voll auf Rode gerichtet.
    »Ja«,
sagte er endlich. »Sie rächten sich.«
    »Sie
dachten, die verrückte Janie habe es getan, aber ich nicht. Janie hätte eher
ihre eigene Schwester getötet als Stella. Sie waren sich so nahe wie Mond und
Sterne, sagte Stella. Sie redeten abends stundenlang miteinander, wenn ich spät
aus war, auf Versammlungen oder bei Nachhilfeunterricht. Stella kochte für
sie, gab ihr Kleider und Geld. Es gab ihr ein Gefühl der Macht, einer Kreatur
wie Janie zu helfen und sie um sich herumschwänzeln zu lassen. Nicht, weil sie
gütig, sondern weil sie grausam war.
    Sie hatte
aus Branxome einen kleinen Hund mitgebracht, einen Köter. Vor einigen Monaten
kam ich eines Tages nach Hause und fand ihn in der Garage liegen, winselnd,
verschreckt. Er humpelte und hatte einen blutigen Rücken. Sie hatte ihn
geschlagen. Sie mußte verrückt geworden sein. Sie hatte ihn schon früher
geschlagen, aber so noch nie; noch nie. Dann geschah etwas - ich schrie sie an,
und sie lachte, und dann schlug ich sie. Nicht heftig, aber doch heftig genug.
Ins Gesicht. Ich gab ihr vierundzwanzig Stunden, entweder den Hund töten zu
lassen, oder ich würde es der Polizei sagen. Sie kreischte mich an - es sei ihr
Hund und sie könne mit ihm tun, was ihr, zum Teufel, gefalle -, aber am
nächsten Tag setzte sie ihren kleinen schwarzen Hut auf und brachte den Hund
zum Tierarzt. Ich nehme an, sie erzählte ihm irgendeine Geschichte. Sie konnte
um alles eine gute Geschichte herumspinnen, das konnte Stella. Sie schlüpfte
sozusagen in eine Rolle hinein und spielte sie bis zum Ende durch. Wie die
Geschichte, die sie den Ungarn erzählte.
    Miss
D'Arcy hatte einmal Flüchtlinge aus London zum Aufenthalt bei sich, und Stella
erzählte ihnen eine solche Geschichte, daß sie fortliefen und man sie wieder
nach London zurückholen mußte. Miss D'Arcy bezahlte ihre Reisekosten und alles,
bestellte sogar den Fürsorger her, um sie zu besuchen und den Versuch zu
machen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Ich glaube nicht, daß Miss D'Arcy
wußte, wer sich an sie herangemacht hatte, aber ich wußte es - Stella erzählte
es mir. Sie lachte, immer dasselbe Lachen: >Da hast du deine feine Lady,
Stan. Sieh dir jetzt mal ihre Wohltätigkeit an.<
    Nach der
Sache mit dem Hund gewöhnte sie sich an, so zu tun, als sei ich gewalttätig;
sie duckte sich weg, wann immer ich ihr nahe kam, hielt den Arm hoch, als
wollte ich sie wieder schlagen. Sie gab sogar vor, daß ich plante, sie zu
ermorden: sie ging hin und erzählte das Mr. Cardew. Sie glaubte es selbst
nicht; manchmal lachte sie darüber. Sie sagte mir: >Es hat keinen Sinn, mich
jetzt zu töten, Stan. Alle werden wissen, wer es getan hat.< Aber zu anderen
Zeiten winselte sie, streichelte mich und bat, sie nicht zu töten. >Du wirst
mich in den langen Nächten töten!< Sie schrie das heraus - das waren die
Worte, an denen sie sich berauschte: >die langen Nächte<; sie liebte
ihren Klang in der Art eines Schauspielers, und sie baute eine ganze Geschichte
um sie herum. >Oh, Stan<, sagte sie, >beschütze mich in den langen
Nächten.< Wissen Sie, wie es ist, wenn man ohnehin nie daran gedacht hat,
irgend etwas zu tun, und jemand einen unentwegt bittet, es nicht zu tun? Man
denkt, man tut es schließlich vielleicht doch, man beginnt, die Möglichkeit in
Betracht zu ziehen.«
    Miss
Brimley zog ziemlich scharf den Atem ein. Smiley stand auf und ging zu Rode
hinüber.
    »Warum
gehen wir nicht in mein Haus zurück und essen etwas?« sagte er. »Wir können das
in Ruhe miteinander besprechen. Unter Freunden.«
     
    Sie nahmen
ein Taxi zur Bywater Street, Rode saß neben Ailsa Brimley, jetzt etwas
entspannter, und Smiley, ihm gegenüber auf einem Klappsitz, beobachtete ihn
und dachte nach. Und es fiel ihm ein, daß das Wichtigste an Rode die Tatsache
war, daß er keine Freunde hatte. Smiley erinnerte sich an Büchners Märchen von
dem in einer leeren Welt allein gelassenen Kind, das, weil es niemanden fand,
mit dem es sprechen konnte, auf den Mond ging, da dieser es anlächelte; aber
der Mond war aus morschem Holz gemacht. Und als Sonne, Mond und Sterne alle zu
nichts geworden waren, versuchte es, auf die Erde zurückzugelangen, aber sie
war verschwunden.
    Vielleicht,
weil Smiley müde war, oder vielleicht, weil er ein wenig alt wurde, empfand 6r
eine Regung plötzlichen

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