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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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Zeug. Dann glauben die Leute, sie sind sensibel und temperamentvoll.
Humbug, das meiste.«
    Smiley
schüttelte den Kopf: »Nein, sie kann den Anruf nicht bestellt haben, bestimmt
nicht. Sie war doch vor dreiviertel elf nicht daheim. Aber auch wenn man
annimmt, daß sie sich bei der Zeitangabe für ihre Rückkehr geirrt hat, konnte
sie nicht zum Telefon gehen, ohne die Leiche ihres Mannes zu finden. Und das
können Sie mir nicht einreden, daß dann ihre erste Reaktion war, hinaufzugehen
und einen Weckruf zu bestellen.«
    Eine Zeitlang tranken sie
schweigend ihren Kaffee.
    »Noch etwas«, sagte Mendel.
    »Ja?«
    »Seine Frau ist um dreiviertel elf
aus dem Theater zurückgekommen, nicht wahr?«
    »Ja, das sagt sie.«
    »War sie allein dort?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wetten, nein. Ich möchte wetten,
daß sie da die Wahrheit sagen mußte und den Brief mit der Zeitangabe versehen
hat, um ein Alibi zu bekommen.«
    Smiley
kehrte im Geiste zu Elsa Fennan zurück, ihrem Zorn und ihrer Ergebung. Es kam
ihm unsinnig vor, so von ihr zu reden. Nein. Elsa Fennan nicht. Nein.
    »Wo ist die Leiche gefunden worden ?« fragte Smiley.
»Unten am Fuß der Stiege.«
    »Am Fuß der Stiege?«
    »Ja, der
Länge nach auf dem Boden der Halle. Der Revolver lag unter ihm.«
    »Und der Brief. Wo war der?«
    »Neben ihm auf dem Boden.«
    »Sonst noch was?«
    »Ja. Eine Kanne Kakao im
Wohnzimmer.«
    »Aha.
Fennan beschließt also, Selbstmord zu begehen. Er bittet die Zentrale, ihn um
halb neun zu wecken. Dann kocht er sich Kakao und stellt ihn in das Wohnzimmer.
Er geht hinauf und schreibt seinen letzten Brief auf der Maschine. Dann kommt
er herunter und erschießt sich. Den Kakao trinkt er nicht mehr. Paßt alles
glänzend zusammen!«
    »Ja, nicht
wahr. Übrigens, sollten Sie nicht endlich Ihr Amt anrufen?«
    Smiley sah
Mendel unbestimmt an. »Das ist das Ende einer wunderbaren Freundschaft«, sagte
er. Während er zu dem Automaten neben einer Tür, auf der »Privat« stand, ging,
hörte er, wie Mendel sagte: »Ich möchte wetten, daß Sie das allen unseren Jungen
sagen.« Er lächelte sogar, als er Mastons Nummer verlangte.
    Maston
wollte ihn sofort sehen.
    Er ging zu
ihrem Tisch zurück. Mendel rührte in einer zweiten Tasse Kaffee herum, als ob
das seine ganze Konzentration erfordere. Er aß ein riesiges Brötchen.
    Smiley
blieb neben ihm stehen. »Ich muß zurück nach London.«
    »Da werden
Sie wie die Katze in den Taubenschlag kommen.« Das Wieselgesicht drehte sich
ihm abrupt zu. »Oder nicht?« Er sprach mit dem vorderen Teil seines Mundes,
während der rückwärtige Teil sich noch mit dem Brötchen beschäftigte.
    »Wenn
Fennan ermordet worden ist, dann kann keine Macht der Welt die Presse daran
hindern, sich der Sache zu bemächtigen«, fügte er halb zu sich hinzu. »Ich
glaube kaum, daß Maston darüber sehr erbaut wäre. Da würde er Selbstmord schon
vorziehen.«
    Smiley
runzelte finster die Stirn. Er konnte schon hören, wie Maston seinen Verdacht
lächerlich machen und ungeduldig verspotten würde. »Ich weiß nicht«, sagte er,
»ich weiß wirklich nicht.«
    Zurück
nach London, dachte er, zurück zu Mastons >Idealem Heim<, zurück zu der
Rattenjagd. Und zurück zu der Irrealität, eine menschliche Tragödie in einem
drei Seiten langen Bericht unterzubringen.
    Es goß
wieder in Strömen, aber jetzt war der Regen warm. Auf dem kurzen Weg zwischen
dem Café »Fountain« und der Polizeistation wurde er sehr naß. Er zog den Mantel
aus und warf ihn hinten in den Wagen. Es war ihm eine Erleichterung, aus
Walliston wegzukommen - obwohl es nach London ging. Als er in die Hauptstraße
einbog, sah er aus einem Augenwinkel heraus die Gestalt Mendels, der in stoischer
Ruhe auf dem Gehsteig der Station zutrabte. Sein grauer Eden-Hut war vom Regen
ganz schwarz geworden und hatte völlig die Form verloren. Smiley hatte nicht
daran gedacht, daß er vielleicht nach London hätte mitfahren wollen, und kam
sich undankbar vor. Mendel, von der heiklen Situation unberührt, machte die Tür
auf und stieg ein.
    »So ein
Glück«, bemerkte er. »Züge hasse ich. Fahren Sie nach Cambridge Circus? Kippen
Sie mich bitte irgendwo in Westminster raus.«
    Sie fuhren
los, und Mendel zog eine schäbige grüne Tabaksdose aus der Tasche und rollte
sich eine Zigarette. Er bewegte sie gegen seinen Mund hin, besann sich dann
aber, bot sie Smiley an und entzündete sie ihm mit einem außergewöhnlichen
Feuerzeug, das eine fünf Zentimeter lange blaue Flamme von sich

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