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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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tückischen Kennzeichen seines mittleren Lebensalters, daß er
auf diese Weise seine Gedanken nicht mehr in den Hintergrund schieben konnte.
Jetzt waren dazu schärfere Mittel notwendig. Er versuchte sogar gelegentlich,
sich Spaziergänge durch europäische Städte auszudenken - um sich an die Läden
und Gebäude zu erinnern, an denen er vorbeikommen würde, zum Beispiel in Bern
auf einem Gang vom Münster zur Universität. Aber trotz dieses energischen
geistigen Exerzitiums pflegten sich ihm die Geister der Gegenwart immer wieder
aufzudrängen und seine Träume zu vertreiben. Es war Ann, die ihn seines
Friedens beraubt hatte, Ann, die einst die Gegenwart so wichtig gemacht und ihn
ein Leben der Wirklichkeit gelehrt hatte. Und als sie ging, war nichts mehr.
    Er konnte
nicht glauben, daß Elsa Fennan ihren Mann getötet haben sollte. Ihr Instinkt
war, zu verteidigen, die Schätze ihres Lebens festzuhalten, um sich die
Symbole einer normalen Existenz aufzupflanzen. In ihr war keine Aggression,
nur der Wille zu bewahren.
    Aber was
wußte man schon? Wie sagt doch Hesse? »Seltsam, im Nebel zu wandern, Leben
heißt einsam sein. Kein Baum kennt den andern, jeder ist allein.« Wir wissen
nichts voneinander, nichts, sinnierte Smiley. Wie nahe wir auch beisammen
leben, und wenn wir auch bei Tag und Nacht die tiefsten Gedanken des anderen
ergründeten, wir wissen nichts. Wie kann ich ein Urteil über Elsa Fennan
abgeben? Ich glaube, daß ich ihr Leid und ihre furchtsamen Lügen verstehe, aber
was weiß ich von ihr? Nichts.
    Mendel
deutete auf einen Wegweiser.
    ». . . Da
wohne ich. Mitcham. Wirklich kein schlechter Platz. Mir sind die
Junggesellenwohnungen schon zum Hals herausgehangen. Dort unten habe ich mir
ein kleines Haus gekauft. Für den Ruhestand . . .«
    »Ruhestand?
Das hat wohl noch lange Zeit.«
    »Ja, drei
Tage. Deshalb habe ich diese Arbeit bekommen. Nichts dran. Keine
Komplikationen. Geben wir es dem alten Mendel, er wird schon Mist machen.«
    »Na gut,
dann werden wir also beide ab Montag arbeitslos sein.«
    Er brachte
Mendel zu Scotland Yard und fuhr dann weiter zum Cambridge Circus. Beim
Eintreten in das Haus wurde ihm klar, daß alle informiert waren. Den Eindruck
machten sie. Ein kleiner Unterst schied in ihrem Blick, ihrem Benehmen. Er
ging direkt in Mastons Zimmer. Seine Sekretärin saß an ihrem Schreibtisch und
blickte rasch auf, als er eintrat.
    »Ist der
Chef da?«
    »Ja, er
erwartet Sie. Er ist allein. Klopfen Sie und gehen Sie hinein.« Aber Maston
hatte schon die Tür geöffnet und rief ihn. Er trug ein schwarzes Sakko und grau
gestreifte Modehosen. Das Kabarett geht weiter, dachte Smiley.
    »Ich habe
versucht, mit Ihnen in Verbindung zu kommen. Hat Sie meine Nachricht nicht
erreicht?« sagte Maston.
    »Das
schon, aber ich hätte unmöglich mit Ihnen telefonieren können.«
    »Ich bin
anscheinend nicht ganz im Bilde.«
    »Also, ich
glaube nämlich nicht, daß Fennan Selbstmord verübt hat. Das hätte ich am
Apparat nicht sagen können.«
    Maston
nahm die Brille ab und sah Smiley entgeistert an.
    »Ermordet?
Warum?«
    »Fennan
schrieb seinen Brief gestern abend um halb elf, wenn wir die Zeit akzeptieren,
die drauf stand.«
    »Und?«
    »Fünf
Minuten vor acht hat er die Zentrale angerufen und gebeten, man solle ihn am
nächsten Morgen um halb neun wecken.«
    »Woher
wissen Sie das, um Himmels willen?«
    »Ich war
heute morgen dort, als der Anruf kam. Ich hatte ihn entgegengenommen, weil ich
glaubte, er käme vom Department.«
    »Aber wie,
in aller Welt, können Sie denn behaupten, daß es Fennan war, der den Anruf
bestellt hat?«
    »Ich habe
Nachforschungen angestellt. Das Mädchen in der Zentrale kannte Fennans Stimme
gut. Sie ist ganz sicher, daß er es war und daß er fünf Minuten vor acht
gestern abend angerufen hat.«
    »Fennan
und das Mädchen haben einander gekannt, nicht wahr?«
    »Nein,
nein, das nicht. Sie haben nur gelegentlich ein paar nette Worte gewechselt.«
    »Und auf
welche Weise schließen Sie aus all dem, daß er ermordet worden ist?«
    »Ich habe
seine Frau wegen des Anrufes befragt . . .«
    »Und?«
    »Sie hat
gelogen. Sie sagte, daß sie selbst den Auftrag gegeben hätte. Sie behauptete,
gräßlich vergeßlich zu sein - manchmal läßt sie sich angeblich von der
Zentrale anrufen, wie man einen Knoten ins Taschentuch macht, wenn sie eine
wichtige Verabredung hat. Und noch etwas. Kurz, bevor er sich erschoß, hat er
sich Kakao gemacht. Aber nicht getrunken. «
    Maston
hörte

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