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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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aussahen, die darauf warteten, seine
Eingeweide zu zerreißen, und kleine Gläser, in denen Gummischläuche wie
Schlangen zusammengerollt waren. Er haßte das alles, und er hatte Angst. Es war
ihm heiß, und der Schweiß rann ihm herunter, er fror schweißgebadet, und der
Schweiß lief ihm wie kaltes Blut in großen Tropfen über die Rippen. Tag und
Nacht lösten einander ab, ohne daß es für Smiley einen Unterschied gemacht
hätte. Er kämpfte einen ununterbrochenen Kampf gegen den Schlaf, denn wenn er
die Augen schloß, schienen sie sich nach innen dem Chaos in seinem Hirn
zuzuwenden. Und wenn ihm manchmal, einfach nur durch ihr Gewicht, die
Augenlider heruntersanken, dann nahm er alle seine Kraft zusammen, um sie
wieder in die Höhe zu bringen und auf das fahle Licht zu starren, das irgendwo
über ihm flimmerte.
    Dann kam
der gesegnete Tag, an dem irgendwer die Gardinen hochgezogen haben mußte und
das graue Licht des Winters hereinließ. Er hörte den Verkehr draußen und
wußte, daß er leben würde.
    So wurde
also das Problem des Sterbens wieder ein akademisches - eine Schuld, deren
Begleichung er aufschieben würde, bis er reich war und selber zahlen konnte.
Sein Geist war wunderbar klar und wanderte wie Prometheus durch seine ganze
Welt. Wo hatte er denn das gehört: »Vom Körper trennt sich dann der Geist, und
er regiert in einem Reiche von Papier . . .?« Das Licht über ihm wurde ihm
langweilig, und er wünschte, daß es mehr zu sehen gäbe. Auch die Weintrauben,
der Geruch von Honig und Blumen und die Schokoladen langweilten ihn. Er
wünschte sich Bücher und literarische Zeitschriften. Wie konnte er auf dem
laufenden bleiben, wenn sie ihm keine Bücher gaben? Diese seine spezielle
Periode wurde ohnedies wissenschaftlich so wenig erforscht, es gab so wenig
schöpferische kritische Abhandlungen über das siebzehnte Jahrhundert.
    Es dauerte
drei Wochen, bevor man Mendel erlaubte, ihn zu besuchen. Er kam mit einem
neuen Hut in der Hand hinein und hatte ein Buch über Bienen mit. Er legte den
Hut auf das Fußende des Bettes und das Buch auf das Nachttischchen und grinste.
    »Ich habe
Ihnen ein Buch gekauft«, sagte er. »Über Bienen. Das sind gescheite kleine
Kerle. Vielleicht interessiert es Sie.«
    Er setzte
sich auf die Bettkante. »Ich habe einen neuen Hut. Total verrückt. Zur Feier
meiner Pensionierung.«
    »Ach ja.
Das habe ich ganz vergessen. Sie sind ja auch in der Ablage.« Sie lachten beide
und schwiegen dann.
    Smiley
zwinkerte mit den Augen. »Ich fürchte, ich sehe Sie nicht recht deutlich im
Augenblick. Ich darf meine alten Gläser nicht mehr tragen. Sie besorgen mir
neue.« Er machte eine Pause. »Wissen Sie, wer es war? Wissen Sie das?«
    »Vielleicht.
Kommt darauf an. Ich glaube, ich habe eine Spur. Aber ich weiß nicht genug, das
ist das Blöde. Über Ihre Arbeit, meine ich. Sagt Ihnen die Ostdeutsche
Stahl-Mission irgend etwas?«
    »Ich
glaube schon, ist vor vier Jahren hergekommen. Wollte mit der Handelskammer
Verbindung aufnehmen.«
    Mendel
erzählte von seiner Unterhaltung mit Mr. Scarr. ». . . sagte, er sei Holländer.
Die einzige Kontaktmöglichkeit war eine Telefonnummer: Primrose .. . Ich habe
festgestellt, wer der Teilnehmer ist. Steht als Ostdeutsche Stahl-Mission im
Telefonbuch, in Belsize Park. Ich habe jemanden hingeschickt, der ein wenig
herumschnüffeln sollte. Sie sind weg. Nichts mehr dort, keine Möbel, überhaupt
nichts. Nur das Telefon. Und das ist aus der Wand gerissen.«
    »Wann sind
sie denn weg?«
    »Am 3.
Januar, demselben Tag, an dem Fennan umgebracht worden ist.« Er sah Smiley
vielsagend an.
    Smiley
dachte einen Augenblick nach und sagte dann:
    »Setzen
Sie sich mit Peter Guillam im Verteidigungsministerium in Verbindung und
bringen Sie ihn morgen her. Wenn nötig, mit Gewalt.«
    Mendel
nahm seinen Hut und ging zur Tür. »Auf Wiedersehen«, sagte Smiley, »danke für
das Buch.«
    »Also dann
morgen. Auf Wiedersehen.« Mendel ging.
    Smiley
sank auf sein Bett zurück. Der Kopf schmerzte ihn. Zu dumm, ich habe mich nicht
für den Honig bedankt. Und er war sogar von Fortnum gewesen.
     
    Was hatte
der Weckanruf zu bedeuten? Das beschäftigte ihn mehr als alles andere. Es ist
eigentlich zu blöd, dachte Smiley, aber von allen ungeklärten Umständen
zerbrach er sich darüber am meisten den Kopf.
    Elsa
Fennans Erklärung war so dumm, so auf den ersten Blick völlig unwahrscheinlich
gewesen. Ann, ja, die hätte es zustande gebracht, daß die ganze

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