Carries ruhmreichen Tage
spitze Objekt in Peter Pans Schwert zu verwandeln.
...Der Kleine ist von ihm besessen. Er ist versessen auf seine Abenteuer. Er ist ein hübscher aber tollkühner kleiner Kerl. Weshalb die Nachbarschaft, anstatt sich anzunähern, um ihn zu verhätscheln, lieber vor ihm flüchtet. Es ist bekannt, daß er schon Hunde und Katzen verfolgt hat. Und, daß er versucht immer alles mit seinem imaginären Säbel zu zerteilen, wozu ihm sowohl ein Regenschirm als auch ein richtiges Küchenmesser dient.
Yolande hingegen, ist eine Rose. Sie ist einfach und zart, wie die schönen Dinge. Sie schläft immer in den Armen ihrer Mama und verschlingt sich in einer Art und Weise darin, daß niemand weiß, wie sie das eigentlich macht. Vermutlich hat man ihr den Gutenachtkuss gegeben und sie zugedeckt, für den Fall, daß Carrie nicht nur ausgegangen war.
...Dann der Durcheinander. Diese Kinder tun und lassen, was sie wollen, wenn sie eingesperrt sind. Sie kämpfen, streiten, lachen, weinen... und die Großmutter schläft im gleiche Raum, jedoch auf dem Sofa. Sie schnarcht, wie ein Walross. Ziemlich laut. Dennoch wird dort niemand wach. Der Schlaf ist heilig, auch wenn es schon elf Uhr morgens ist. Da liegen sie, sowohl im Pyjama, wie auch im Festkleid oder aber mit Schürze, jedem das Seine. Thierry und Yolande haben ihre gesamte Fantasie ausgeschöpft, um das ganze Haus und dessen Geheimnisse zu ergründen. Sie haben sich heute mit allem, was sie in den Schubladen nur finden konnten verkleidet.
Das komplette Haus ist durcheinander.
Das Handy klingelt. Und Carrie kommt genau so zu sich, in der Verwirrung. Niemand um sie herum scheint dieses Piepsen zu hören, bis sie es unter dem Wirrwar der Bettdecke ausfindig gemacht hat.
» Ja....? «
» Carrie....Mädchen, du hast mir heut Nacht eine Nachricht geschickt, damit wir uns heute treffen. «
» Oh, Anne-Laure....Ja, natürlich. Lass uns bitte treffen. «
» Okay, wir seh´n uns um Fünf im Mamie... «
» Okay Anne. Danke. «
Dann erwachen die Toten zum Leben. Die Großmutter als Letzte. Die Kinder springen auf ihr herum und holen sie aus ihren Träumen. Mit jedem Stoß in ihren Magen, entweicht mehr Luft, bis sie schließlich ihr Bewußtsein erlangt und atmet.
…Sie war nicht zur Mutter geboren. Sie konnte nicht einmal zu einer von ihnen werden, denn für so etwas war Carrie einfach nicht auf dieser Welt. Die Natur hat sie noch nicht einmal mit diesem Schalter ausgestattet, der sich bei einigen Frauen irgendwann umlegt, um sie hinsichtlich ihrer Kinder noch reifen zu lassen. Bei ihr nicht. Sie essen alles, egal was und das im Akkord. Die Diabetes von Yolande wird einfach so gemessen, auch in ungelegenen Momenten. Die Diabag mit den Spritzen, die Berechnung, die Routine und los geht’s, egal wie. Für Yolande der Wermutstropfen des Tages, sie bekommt ihre Dosis in den Po gespritzt.
…Mittlerweile hat sie gelernt nicht mehr zu weinen. Aber vor Allem vermisst sie ihren Papa, Christian, nicht mehr. Früher dachte sie ihn durchs Fenster sehen zu können. Und jetzt passiert noch nicht einmal mehr das.
Thierry entfernt mit seinem Schwert, einem Strohhalm von einem Tetra Pack Saft, die Spinnweben im Haus.
» Okay Kinder…Benehmt euch und hört ja auf eure Oma « , ruft sie diese im Voraus zur Ordnung. » Ich will keine Klagen hören « , ermahnt sie sie. Sie ist ungeduldig. Die Oma hingegen, nimmt die Kinder an den Schultern, damit sie ihrer Mutter nicht nachlaufen. Dann bringt sie sie wieder zurück in die Obhut des Hauses, wo sie alle kindlichen Unbarmherzigkeiten über sich ergehen lassen wird.
* * *
Das Mamie ist fast leer. Es regnet und die Leute sind zu träge, um auszugehen.
Carrie trifft dort mit zerzausten Haaren ein.
Wenn sie damals schon keine Vorkehrungen traf, um sich nicht vom falschen Mann schwängern zu lassen, wieso sollte sie ausgerechnet jetzt an einen Regenschirm denken? So denkt jeder. So denkt auch Anne-Laure.
» Mädchen, du bist ja pitschenass « , sagt Anne-Laure, ohne sich vom Tisch zu erheben. Sie hat schon einen Kaffee bestellt. » Was möchtest du? «
» Das Gleiche, danke « und, bei einem erneuten Missgeschick rutscht Carrie die Jacke von der Stuhllehne. Sie beseitigt sie dort, so wie sie selbst von den Männern so oft beseitigt wurde, wie ein Lumpenmädchen. Das denkt auch Anne-Laure, die das Grinsen in ihrem Gesicht nicht unterdrücken kann.
» Nun, was ist der Grund für so viel Geheimnistuerei? « fragt sie. »
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