Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Development Group, Foreign and Commonwealth Office.
Auf diese Weise hatte Osborne-Smith von Severan Hydt erfahren, dessen Spitzname Noah lautete und der Green Way International leitete. Bond schien versäumt zu haben, ihm mitzuteilen, dass seine Fahrt zu Boots, der Straße, und nicht Boots, der Apotheke – vielen herzlichen Dank – zu diesen nicht unwichtigen Erkenntnissen geführt hatte.
»Bastard«, sagte Osborne-Smiths Adjutant, ein schlanker junger Mann mit irritierend üppigem braunem Haarschopf. »Bond spielt mit Menschenleben.«
»Immer schön mit der Ruhe«, besänftigte Osborne-Smith den Jungen, den er oft als »Deputy-Deputy« bezeichnete, wenngleich nicht in dessen Gegenwart.
»Tja, das ist er aber. Bastard.«
Osborne-Smith für seinen Teil war eher beeindruckt, dass Bond sich an den französischen Geheimdienst gewandt hatte. Andernfalls hätte nämlich niemand erfahren, dass Hydt das Land zu verlassen und später am Tag rund neunzig Leute zu töten beabsichtigte – oder zumindest bei ihrem Tod zugegen sein wollte. Diese neuen Erkenntnisse bestärkten Osborne-Smith in seinem Vorhaben, Severan »Noah« Hydt möglichst bald in Eisen zu legen, ins Belmarsh oder den kaum gastlicheren Verhörraum der Division Three zu zerren und in die Mangel zu nehmen.
»Liefern Sie mir zu Hydt das volle Programm«, wies er Deputy-Deputy an. »Ich will seine Vorzüge und Nachteile erfahren, will wissen, welche Pillen er schluckt, ob er den Independent oder die Daily Sport liest, Arsenal oder Chelsea bevorzugt, was er am liebsten isst, welche Filme ihn ängstigen oder zu Tränen rühren, wen er flachlegt oder von wem er flachgelegt wird. Und wie. Und stellen Sie ein Zugriffteam zusammen. Übrigens, Bonds Schusswaffenformular haben wir nie erhalten, oder?«
»Nein, Sir.«
Nun, das ärgerte Osborne-Smith.
»Wo ist mein fliegendes Auge?«, fragte er den jungen Techniker an der Videospielkonsole.
Sie hatten versucht, Hydts Zielort auf die einfache Weise zu ermitteln. Da der espion in Paris erfahren hatte, dass der Mann ein Privatflugzeug benutzen würde, hatten sie die Unterlagen der Luftfahrtbehörde nach Maschinen durchsucht, die auf Severan Hydt, Green Way oder irgendwelche Tochtergesellschaften zugelassen waren. Sie fanden keine einzige. Also mussten sie ihn ganz altmodisch beobachten – sofern man bei einer drei Millionen Pfund teuren Drohne von »altmodisch« sprechen konnte.
»Moment, Moment«, sagte der Techniker überflüssigerweise. Dann endlich: »Bibo ist über dem Einsatzort.«
Osborne-Smith schaute auf den Monitor. Die Sicht aus mehr als drei Kilometern Höhe war erstaunlich gut. Doch dann stutzte er. »Sind Sie sicher, dass das Hydts Haus ist? Nicht ein Gebäude seiner Firma?«
»Absolut. Das ist seine Privatadresse.«
Das Grundstück nahm einen kompletten quadratischen Block in Canning Town ein. Von den benachbarten Sozialbauten oder heruntergekommenen Mietshäusern war es, wenig überraschend, durch eine stattliche Mauer getrennt, auf deren Krone Stacheldraht glänzte. Auf dem Gelände gab es gepflegte Gärten in voller Maiblüte. Ursprünglich dürfte es sich um ein Lagerhaus oder eine kleinere Fabrik gehandelt haben, doch kürzlich hatte man das etwa hundert Jahre alte Anwesen anscheinend renoviert. Vier Nebengebäude und eine Garage drängten sich dicht an dicht.
Was hat das zu bedeuten?, dachte Osborne-Smith. Warum wohnt ein so reicher Mann in Canning Town? Es war ein armes Viertel, ethnisch komplex, anfällig für Gewalt und Bandenkriminalität, aber auch mit äußerst loyalen Einwohnern und entschlossenen Stadträten, die sehr, sehr hart für ihre Wählerschaft arbeiteten. Es gab zahlreiche Sanierungsprojekte und dazu noch Bauarbeiten anlässlich der bevorstehenden Olympiade, von denen aber manch einer behauptete, sie würden der Gegend die Seele rauben. Osborne-Smith konnte sich noch daran erinnern, dass sein Vater in irgendeinem legendären Pub in Canning Town vor einigen Jahrzehnten Auftritte von The Police, Jeff Beck und Depeche Mode gesehen hatte.
»Wieso wohnt Hydt ausgerechnet hier?«, grübelte er laut.
»Bond hat seine Wohnung verlassen und ist Richtung Osten gefahren«, rief sein Assistent. »Aber er hat unseren Mann abgehängt. Bond fährt wie Michael Schumacher.«
»Wir wissen, wohin er will«, sagte Osborne-Smith. »Zu Hydt.« Er hasste es, etwas so Offensichtliches erklären zu müssen.
Bei Hydt blieb vorerst alles ruhig. Nach einigen Minuten erhielt Osborne-Smith von
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