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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Oder ›die Sache‹.«
    »Sie glauben an ihre Gefühle«, sagte Anne. »Ich habe damals den Kampf für die große Sache verraten, als ich Leo kennenlernte. Er – hat nur mich verraten.«
    »Und warum bist du dir so sicher, daß er dich nie geliebt hat?« Paul war sich da gar nicht so sicher.
    »Kann man so schizophren sein?« fragte sie zurück.
    »Männer«, sagte Paul, »können.«
    »Männer«, sagte er plötzlich und lachte dabei. »Männer sind doch die eigentlichen Romantiker. Wenn sie sich hingeben – an einen Staat, an eine Idee, an einen Wahn, vielleicht sogar an eine Frau –, dann verschenken sie sich wenigstens mit tödlicher Konsequenz. Ihr bleibt reserviert.«
    »Wir überleben«, sagte Karen leise. Als Witwen.
8
    »Das ist alles eine Sache der Gewöhnung«, sagte Paul und hob das Bierglas. »Aber, zugegeben: So richtig ins Ambiente paßt die Kiste natürlich nicht.«
    Bremer und Kosinski saßen im »Rauschenden Brünnlein« bei der vierten Runde Pils. Kosinski hatte um ein Männergespräch gebeten. Mit Bremer, stellte er zufrieden fest, konnte man wirklich über alles reden: Über die Zukunft der Rente. Über das letzte Spiel von Steffi Graf. Über die Nato-Osterweiterung. Über die Frankfurter Eintracht. Und über Pauls Cabriolet, ein Auto, das, wie Kosinski vorsichtig angemerkt hatte, »nicht so ganz« in eins ging mit der ländlichen Idylle von Klein-Roda.
    Kosinski fuhr einen alten Mercedes, Diesel. Das , dachte er, war das Auto für einen Landstrich wie diesen.
    »Hauptsache, es ist kein Jeep.«
    Was das betraf, so waren sich beide völlig einig. Paul fiel »Der Flug des Falken« ein, der schmutzigbraune Jeep, den er schon mehr als einmal bei Annes Hof gesehen hatte. Sollte er den Inspektor danach fragen? Er verwarf den Gedanken gleich wieder. Das war jetzt alles nicht mehr wichtig.
    »Na, immer schön auf der Seite der Staatsgewalt?« sagte eine leise Stimme hinter Pauls rechter Schulter.
    »Hau ab, Moritz«, zischte Paul, der den Schreiner nicht ausstehen konnte. Das beruhte ganz auf Gegenseitigkeit, denn Moritz, der sich noch neckisch vor dem Inspektor verbeugte, ließ sich gleich darauf am Nebentisch hören, wo er seine Kumpels mit Witzen unterhielt, in denen offenbar Paul, Anne und der Inspektor eine prominente Rolle spielten. Der ganze Tisch röhrte vor Vergnügen, vor allem beim laut gelispelten »Ko-ß-in-ß-ki«. Paul merkte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg.
    »Und wann, glauben Sie, ist die Schmerzgrenze erreicht, was die Arbeitslosigkeit betrifft?« Kosinski ließ sich noch nicht einmal durch die Provokationen am Nachbartisch vom einmal eingeschlagenen Weg abbringen. Dies hier war ein Männergespräch, ein vertrauliches, intimes Männergespräch. Es wirkte klärend und beruhigte die Nerven. Es duldete keine Unterbrechung.
    Bei der Frage, wie es um die Kriminalität in der Gesellschaft bestellt sei, war Kosinski noch erregt. Das war schließlich Gegenstand seiner Lieblingstheorie. Beim Waldsterben – Paul glaubte nicht daran, Kosinski fürchtete das Schlimmste – war er schon völlig entspannt. Und beim Thema Pflegeversicherung wußte er, daß er Beate nicht verlieren wollte.
    Paul brauchte länger. Erst als beide bei der Informationsgesellschaft und ihrer Zukunft angelangt waren, begriff er, daß er Anne Zeit lassen mußte. Viel Zeit.
    »Ich heiße Paul«, sagte Bremer, als Erna ihnen das sechste Pils servierte. Kosinski strahlte. »Gregor«, sagte er.
9
    Gregor Kosinski dachte über die Liebe nach. Nicht, daß er daraus eine Gewohnheit machen wollte. Aber die Ereignisse auf dem Weiherhof hatten ihn darin bestätigt: Zuviel Liebe schadete nur. Und verleitete Menschen dazu, die elementarsten Dinge des Lebens zu mißachten: Im Namen der Liebe verriet eine Staatsanwältin ihren Beruf, eine Karrierefrau ihren Verstand und eine junge Frau ihr gerade erst wachsendes Selbstbewußtsein.
    »Woher hätten sie denn wissen sollen, daß sie ihre Gefühle in einen Unwürdigen investierten?« hatte ihn Beate gefragt, mit jener Ironie, die er höchstens an sich selbst schätzte. Er hatte ihr die Geschichte und ihren Ausgang erzählt – nicht ohne gewisse Absichten, versteht sich. Hier sah man doch, wohin die von Beate so ersehnte Leidenschaft führte!
    Kosinski hob die Schultern und breitete die Arme aus. »Hätte Ellen nicht zu sehr geliebt, hätte sie sich nicht erhängt.«
    »Und hätte Mielke sein Volk nicht zu sehr geliebt, wäre sie gar nicht erst in den Knast geraten!«
    »Du sagst

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