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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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nichts.
    Kosinski sah sie lange an und hob dann vorsichtig den schlafenden Kater von seinem Schoß und reichte ihn an Rena weiter. Er versuchte gar nicht erst, die Haare von seiner Hose zu klopfen. »Ich habe zu tun«, sagte er und ging.
    Draußen atmete er tief durch. »Das also war die Frankfurter Staatsanwaltschaft«, dachte er resigniert. »Verliebt.« Und er durfte die Leiche aufsammeln. Scheißjob.
7
    Anne drehte die zwei Heizkörper unter den Fenstern weit auf und stellte eine Flasche Obstler auf den Tisch und vier Schnapsgläser. Leo war also an der Liebe gestorben. »Wie passend«, dachte sie. Ellen war auch an der Liebe gestorben. Und ihr Freund – David oder Daniil – auch. Als ob sich die Drohung von Erich Mielke erfüllt hätte. »Aber ich liebe euch doch alle!« hatte der MfS-Chef gerufen, als das Ende seines Staates nahte. Was offenbar genau das Problem gewesen war. So eine Liebe war anmaßend. Vereinnahmend. Erstickend. Tödlich.
    »Hättest du es verhindern können?« fragte Paul leise. Karen sah ihn gequält an. »Vielleicht«, sagte sie leise.
    Du hättest ihn mit in dein Bett nehmen sollen. Vorübergehende Sistierung zwecks Feststellung der Identität! höhnte es in ihr. Sie lachte. Ein kurzes, trockenes Geräusch, das Paul unendlich traurig vorkam. »Ich hätte es früher merken müssen. Ich war ja die einzige, die eine Verbindung herstellen konnte zwischen einem Artisten in Frankfurt und einem Toten in der Rhön. Ich hätte ihn dazu bringen können, sich zu stellen. Ich hätte ihn verhören können. Ich hätte meine Beobachtung wenigstens mitteilen müssen!« Karen leerte das Glas, das Anne vor sie hin gestellt hatte, und schüttelte sich.
    »Leidenschaft macht blind«, sagte Anne prosaisch. »Ich habe jahrelang nicht begriffen, daß ich mit einem Mann zusammenlebte, den es gar nicht gab. Und daß ich für ihn eine Staatsaktion war. Mehr nicht.« Sie wischte mechanisch mit dem Putztuch über die Theke. »Ich hätte es auch früher merken müssen.«
    Warum eigentlich? dachte Paul plötzlich. Mußte man denn, in Liebesdingen, stets und ständig mit dem Schlimmsten rechnen? War die Wahrscheinlichkeit denn wirklich so groß, auf einen Verbrecher zu treffen? Und gab es nicht genug ganz normale Männer, die weder zu Mord, Verrat noch Tierschänderei neigten? »Nur ganz nebenbei gesagt: Es sind nicht alle Männer Verräter oder rachsüchtige Mörder – oder Psychopathen«, sagte Paul, schon um den Trend zur weiblichen Selbstanklage zu unterbrechen, der sich, wie er unbehaglich merkte, auszubreiten schien.
    »Und woran erkennt man, daß einer kein Psychopath ist?« fragte Rena mit klarer Stimme. Karen hob den Kopf und sah das Mädchen eingehend an. Hübsch war sie nicht. Ein bißchen zu dünn für meinen Geschmack, dachte sie. Aber Rena hatte kluge, leuchtende Augen. Und würde hoffentlich nicht für die nächsten zehn Jahre im Irrglauben leben, Liebe ende grundsätzlich tödlich.
    »Man kann in niemanden hineinsehen«, sagte sie. »Die Menschen liegen nicht da wie ein offenes Buch.«
    »Gott sei Dank«, sagte Anne und lachte. »Alles will man über sie schließlich auch wieder nicht wissen.«
    »Aber – wenn einem etwas auffällt am anderen«, sagte Karen und sah Rena eindringlich an, »dann sollte man sich nicht durch Gefühle daran hindern lassen, der Sache auf den Grund zu gehen.« Leicht gesagt, dachte sie resigniert. Und offenbar unglaublich schwer getan.
    »Hätte ich ihn anzeigen müssen?« fragte Rena leise.
    »Wen?« Karen wußte nichts über Alexander. Paul klärte sie auf.
    »Ja«, sagte sie dann kurz und knapp. Warum fiel das eigentlich ausgerechnet Frauen so schwer? Weil sie keine Verräterinnen sein wollten?
    »Es ist ganz seltsam«, sagte Anne langsam, als ob sie gehört hätte, was Karen gedacht hatte. »Aber es sind fast nur Männer, die vom MfS erfolgreich auf einen Ehepartner angesetzt wurden. Frauen waren immer ein geeignetes Objekt für gutaussehende Spione, man denke an all die Sekretärinnen im Bundesverteidigungsministerium. Aber umgekehrt hat das viel seltener funktioniert, als man so glaubt.«
    »Weil sich die Spioninnen meist in die Männer verliebten, die sie auszuhorchen hatten. Und dann glaubten, sie müßten ihnen die Wahrheit sagen«, fügte Karen hinzu.
    »Frauen sind eben die besseren Menschen«, sagte Paul spöttisch.
    »Nein, Paul«, sagte Karen. »Sie sind nicht so abstrakt. Frauen glauben nicht an so große Angelegenheiten wie den Staat. Oder den Sozialismus.

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