Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
drauÃen. In Hospizen und Leichenschauhäusern geht es mir ähnlich.«
Lifante trat etwas zu dicht an ihn heran.
»Fassen Sie mich ja nicht an. Das war Contrerasâ Stil.«
»Dann lernen Sie, mich zu respektieren, ohne dass ich Sie am Kragen packen und Ihnen die Luft abschnüren muss. Ich kann ziemlich ungemütlich werden. Ich kann Sie fertigmachen. Ich weiÃ, wie das geht, praktisch und rechtlich, ohne das Gesetz zu brechen.«
Carvalho grüÃte und ging. Er dachte über die Bestätigung seiner Theorie über die Polizeikultur nach. Sie nimmt weder zu noch ab, sie variiert lediglich im Dienst des immergleichen Verdachts, dass die Bürger entweder schuldig sind, es waren oder es eines Tages sein werden. Und das im Dienst der Herrschenden, wer immer das gerade ist, was immer sie gerade wollen. So fasste er es auch Dorotea in einem knappen telefonischen Bericht zusammen.
»Für mich ist der Fall abgeschlossen. Emmanuelle ist wieder aufgetaucht. Oder etwa nicht?«
»Darum ging es nicht. Man hat mich gebeten, dass Sie etwas über ihre lange Reise durch Spanien in Erfahrung bringen.«
6 Das Mädchen, das nicht Emmanuelle sein sollte
Die Hand, die nicht den Hut hielt, drückte die Tür auf, und hinter dem Rahmen, an seinem Schreibtisch sitzend, nahm Carvalho Gestalt an. In der Hand hielt er noch immer den Telefonhörer, der auf sein Gespräch mit Dorotea hinwies. Er schaute auf und blickte gleich wieder hinunter, um die wunderliche Erscheinung vor seinen Augen in vollem Umfang zu erfassen. Biscuter stand im Sonntagsstaat vor ihm, strich sich die Ãrmel seines Sakkos glatt und rückte sich in Erwartung seines Urteils den Krawattenknoten zurecht.
»Schneiderei Modelo, zwei in einem. Sakko mit zwei gleichen, farblich zusammenpassenden Hosen, um sie abwechselnd zu tragen, damit sie nicht so schnell abnutzen. Ich bin ziemlich dürr, habe aber PlattfüÃe, und die Oberschenkel scheuern mir die Hosen durch.«
Biscuter hatte also auch Oberschenkel.
»Und der Hut? Warum so elegant, Partner?«
»Mir fehlt die Erfahrung eines Mannes von Welt, aber ich weiÃ, wie man um etwas bittet. Das Gesicht als Spiegel der Seele reicht nicht, auch die Kleidung beeinflusst die Stimmung der Menschen, mit denen man zu tun hat. Ein adretter Anzug und gutgeputzte Schuhe. Und ein Hut. Seit meiner Jugend trage ich gern Hüte. In Wahrheit habe ich gelogen, als ich sagte, ich sei kein Mann von Welt. Ich war es, bis ich mich hier einschloss, freiwillig natürlich, ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Chef.«
Biscuter, offensichtlich in Laune, alte Erinnerungen heraufzubeschwören, nahm sich einen Stuhl.
»Ich war, ich wiederhole,
war
ein Mann von Welt. Weder Tag noch Nacht bargen Geheimnisse für mich. Ich klaute nur vom BMW aufwärts. Ich kann mich in jeder Welt zurechtfinden, in achtzig Welten.«
»Es reicht mir, wenn du dich in der Welt der Künste, des Theaters, des Films und des ausschweifenden Nachtlebens dieser Stadt zurechtfindest, wo du dich ja deiner Meinung nach so gut auskennst«, sagte Carvalho mit einer gewissen Ungeduld. »Merk dir diesen Namen, Helga Singer oder die argentinische Emmanuelle, und wenn du aus einer Künstlergarderobe oder einem Nachtlokal trittst und dir ein Clochard über den Weg läuft, dann frag ihn nach Palita. Was sagt dir die argentinische Emmanuelle? Dir ist bekannt, dass es eine ganze Reihe von Emmanuelle-Filmen gab. Es fing mit einer Holländerin an, später folgte die schwarze Emmanuelle, die asiatische, und so wie es aussieht, gab es auch einen Wettbewerb, bei dem die argentinische Emmanuelle gesucht wurde. Bei dem Wettbewerb haben sich junge Schauspielerinnen beworben, und ich will wissen, was aus einer von ihnen geworden ist. Aus Helga Singer, das war ihr Pseudonym. Mit richtigem Namen hieà sie Helga Muchnik.«
»Jüdin. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass sie Jüdin war. Sie haben mal ein Buch über Juden verbrannt, das Muchnik hieÃ.«
»Das war der Name des Verlags, und ich habe es aus dem einfachen Grund verbrannt, weil es ein Buch war. Ich will wissen, was aus Helga geworden ist. Sie war die Jugendliebe eines gewissen Rocco, und möglicherweise ist er es, der sie sucht, daher das Mitwirken von Dorotea Samuelson.«
»Ich werde sie finden, Chef.«
»Du kannst sie im Leichenschauhaus finden, da liegt sie. Sie ist tot. Ich will, dass du mir hilfst, ihr
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