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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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ein und zeigte ihm ihre Brüste: ›Magst du meine Paradoxe?‹ ›Warum nennst du deine Brüste Paradoxe?‹, fragte der Wolf, und Rotkäppchen antwortete: ›Das ist eine alte Geschichte. Wird Sylvia Kristel die Jury leiten? Glaubst du, ich passe in ihr Bild von Emmanuelle?‹ ›Du
bist
Emmanuelle. Wenn dich der Produzent vor Sylvia kennengelernt hätte, hätte er dich zu seiner Emmanuelle gemacht.‹ ›Gefallen dir meine Paradoxe?‹, fragte Helga ein ums andere Mal mit zärtlicher Stimme. ›So sehr, dass ich wünschte, du hättest mehr davon. Dann wärst du ein kleines Monster‹, sprach der Wolf. ›Ein lüsternes Monster.‹ An dieser Stelle wurde Helga sauer, denn sie war sehr eigen. Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und schlüpfte in den Morgenmantel, der über einem Stuhl hing. ›Was hast du?‹ ›Ich bin keine lüsterne Frau. Ich bin keine Nutte. Ich weiß, was ich will, das ist alles. Mein Tag wird kommen, so wie er für Marilyn Monroe gekommen ist. Weißt du, was Marilyn gesagt hat, als sie mit ihrer ersten großen Rolle Erfolg hatte? Sie sagte: Jetzt brauche ich den Produzenten keinen mehr zu blasen, um an eine Rolle zu kommen.‹ Die Arme, sie tat immer so stark, aber im Innersten war sie äußerst zerbrechlich. Dieser unverschämte Kerl hat sie verarscht. Sie hat sich an alles erinnert, genau da, wo du jetzt sitzt, Plegamans oder Biscuter oder wie immer du dich jetzt nennen magst. Sie lachte sich kaputt darüber, wie viel sie damals geweint hatte, als ihr dieses Arschloch zum Trost eine kleine Rolle in einem Film anbot, den er in der Pampa drehen wollte, die Rolle einer Nebendarstellerin in einem Film mit Mirtha Legrand in der Hauptrolle. Der Lustmolch wusste die Sache zu verkaufen: ›Die Kamera wird nur Augen für dich haben, Mirtha ist Schnee von gestern.‹ Aber Helga hatte das Drehbuch gelesen, ihre Rolle war ein Witz, gerade mal vier Sätze. ›Aber Mädchen, du bist eine Viertelstunde auf der Leinwand!‹, beharrte der dürre Lustmolch. Schau mal, Plegamans, hier habe ich noch den Zettel, den mir Helga gegeben hat und wo steht, was sie für ihre Rolle auswendig lernen sollte: ›Ich wollte Sie nicht beleidigen, aber Ihr Neffe ist nicht, was er zu sein scheint ... und auch ich bin nicht, was ich zu sein scheine.‹ ›Es reicht, Carlos! Die Zeit ist vorbei, als ich bereit war, an dich zu glauben und an alles, was du mir gesagt hast. Ich bin reifer geworden. Du nicht.‹ ›Das war das letzte Mal, dass du mich geschlagen hast! Wag das ja nicht noch mal ... oder ich werde dich töten!‹ ›Ja, ich war es. Ich bin es leid, mich zu verstellen. Auch meine Liebe war nur gespielt. Ihn zu töten war das einzig Wahre in unserer Beziehung.‹ ›Leben Sie wohl, Doña Sole. Ihr Neffe war nicht, was er zu sein schien. Ich bitte Sie nicht um Verzeihung, sondern um Ihre ... Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig! Nichts ist mehr wichtig!‹ Kurz und gut, sie steckte sich die Paradoxe in den Ausschnitt und verpasste dem Lustmolch eine solche Ohrfeige, dass er fast aus den Latschen kippte. Aber das war nicht der Grund, warum sie Buenos Aires verlassen hat. Sie hat nie gesagt, warum, aber ich habe es geahnt. Sie war schwanger.«
    Â»Schwanger? Von dem Lustmolch?«
    Â»Von diesem Klappergestell? Der konnte ja nicht mal ein Kaninchen schwängern.«
    Â»Okay, Gualterio. Das Mädchen kommt in dein Büro und fragt nach Arbeit. Hattest du was für sie?«
    Â»Nein. Ich habe zu ihr gesagt: Entweder du zeigst deinen Arsch und deine Paradoxe, siehst zu, dass du auf eine vordere Seite in
Interviú
kommst und deinen Pass zeigst, wenn er verlangt wird, oder ich sehe keine Chance für dich. Sie antwortete, sie würde zeigen, was nötig wäre, und dass sie sich um eine kleine Rolle in einem Theaterstück eines Landsmanns bemühe, eine stumme Rolle, nein, den Akzent vom Rio de la Plata würde man ihr nicht anmerken.«
    Â»War sie allein hier?«
    Â»Das erste Mal schon. Beim zweiten und dritten Mal hat jemand am Eingang auf sie gewartet. Sie war jedes Mal runder, lustloser, unvermittelbarer. Sie hatte eine schwierige Schwangerschaft. Das letzte Mal habe ich sie um 1983 gesehen, vielleicht auch später. Sie arbeitete in Läden wie dem La Dolce Vita. Sie kam, um neue Fotos zu machen, und ich wollte sie nicht enttäuschen,

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